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Die Stunde des Spielers

Die Stunde des Spielers

Titel: Die Stunde des Spielers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Vaughn
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Als er sie dann zum dritten Mal zusammenschlug - klack - glitten sie ineinander und waren auf einmal verschlungen. Darauf verwandte er lediglich eine Minute. Es war ein alter Hut, und das wusste er. Warum Zeit verschwenden.
    Dann vollbrachte er das Unmögliche. Als die Ringe wieder voneinander getrennt waren, ließ er einen auf seiner Hand kreisen, wie eine Münze auf einer Tischplatte. Okay, das war cool. Dann brachte er irgendwie einen zweiten dazu, sich auf dem ersten zu drehen. Anfangs war ich mir nicht einmal sicher, was ich da vor mir sah. Ich kniff die Augen zusammen vor Konzentration. Er hielt die linke Hand völlig flach, etwa in Hüfthöhe, und der Ring drehte sich immer noch - wurde nicht langsamer, wackelte überhaupt nicht. Im nächsten Augenblick drehte sich ein anderer Ring darauf, in einer anderen Geschwindigkeit. Die beiden Ringe gaben zusammen ein harmonisches Läuten von sich, eigenartig und schön. Dann setzte er den dritten Ring auf den anderen beiden in Bewegung.
    Das Bild dieser sich drehenden Silberreifen, die perfekt auf seiner Hand balancierten, war simpel, aber beunruhigend. Wahrscheinlich gab es eine einfache Erklärung, selbst wenn ich nicht dahinter kam. Doch meine Arme waren mit einer Gänsehaut überzogen. Ich hielt die Sitzkante fest umklammert. Ich konnte noch nicht einmal blinzeln. Es war, als blickte man durch eine Tür in eine andere Welt. Beinahe konnte ich etwas im Innern dieser kreisenden Ringe erkennen. Er balancierte Welten auf seiner Hand. Eine Stimme in meinem Kopf flüsterte mir zu: Das ist echt. Ein Teil von mir wollte weglaufen. Denn wenn das hier echt sein sollte, bedeutete das auch, dass es gefährlich war. Die Wölfin trat ein wenig um sich, da ihr Fluchtinstinkt geweckt war. Ich sagte mir, dass es nicht wirklich gefährlich war. Es war Bühnenkunst, nichts weiter.
    Mit einer Geste präsentierte er das Bild, seine singenden Sphären, dem Publikum. Alle jubelten, weil es wunderbar und schön war. Auf einen raschen Wink seiner Hand hin sprangen die Ringe in die Luft, trennten sich und fielen hinunter. Mühelos fing er sie auf, jonglierte kurz damit und verbeugte sich dann.
    Ein Dutzend anderer Tricks folgte, einfach, altmodisch, doch trotzdem magisch. Tücher, die er aus dem Nichts hervorzog, schwebende Tische, Kanarienvögel aus Ärmeln, alles mit beiläufigem Schwung vorgeführt. Er zerbrach ein Ei in einen Krug. Mit einem Holzlöffel rührte er ein paarmal um. Nachdem er den Löffel beiseitegelegt hatte, bedeckte er den Krug mit einem Seidentuch - bloß einen Augenblick -, dann zog er es wieder fort. Nun befand sich ein lebendiges piepsendes Küken in dem Gefäß. Das Publikum stieß ein anerkennendes »Oh!« aus.
    Dann kam die Truhe. Diejenige, in der schöne Bühnenpartnerinnen auf ein Schwenken des Zauberstabs hin verschwanden. Wie der Rest der Show stammte auch dieser Trick aus einer anderen Ära. Es hätte mich nicht überrascht zu erfahren, dass die Kiste wirklich eine Antiquität aus einer alten Zaubershow aus den Zwanzigerjahren war. Sie war mattschwarz gestrichen, und ägyptische Hieroglyphen waren zwischen verschlungenen Ranken und Blumen verstreut, die an den Rändern entlang aufgemalt waren. Die Truhe war hoch und schmal, gerade so groß, dass sich ein Mensch hineinstellen konnte. Die Räder - ich ging davon aus, dass sie Räder hatte - waren verborgen.
    Er hatte keine Assistentin. Stattdessen drehte er die Kiste selbst um, zeigte uns die künstlerische Gestaltung auf allen vier Seiten und bewies, dass es keine versteckten Fächer, Spiegel oder anderen Tricks gab, die bei der Illusion halfen. Dann erbat er sich einen Freiwilligen aus dem Publikum.
    Es war nur zu verständlich, wenn man dabei auf den Gedanken kam, dass die freiwillige Helferin keine zufällige Wahl war. Sie war zu klischeehaft, um echt zu sein: Typ Hausfrau in geblümter Bluse und pastellfarbener Bundfaltenhose, die Haare dauergewellt und gefärbt, zu viel Make-up und ein breites Lächeln. Eine Urlauberin aus dem Mittleren Westen, der Ehemann Beamter der mittleren Laufbahn. Errötend und unter Kichern eilte sie auf die Stufen zu, die zur Bühne führten. Grant reichte ihr die Hand und vollführte eine altmodische, gentlemanhafte Verbeugung. Das rief bei der freiwilligen Helferin weiteres Gekicher hervor. Er fragte sie nach ihrem Namen.
    »Mary«, sagte sie, die Hand an der Wange, als könne sie so dem Erröten Einhalt gebieten.
    »Mary. Danke, dass Sie mir heute Abend helfen. Also, Sie

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