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Die Stunde des Spielers

Die Stunde des Spielers

Titel: Die Stunde des Spielers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Vaughn
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Künstler, die hier arbeiteten und schwitzten, waren in die Wände gedrungen. Ich fand eine Tür mit der Aufschrift BÜHNE. Sie war abgeschlossen. Auf der Suche nach einem weiteren Zugang folgte ich dem Korridor, um Grant und seine Ausrüstung genauer unter die Lupe zu nehmen.
    Meiner Wolfseite gefiel das hier überhaupt nicht. Der Korridor schien zu schmal zu sein, zu voll, und an der Decke verliefen größere Belüftungsschächte; eine optische Sinnestäuschung, die Platzangst in mir hervorrief.
    Da hörte ich ein dumpfes Geräusch, als fiele eine Kiste auf den Boden. Reglos blieb ich stehen und wartete auf weitere Hinweise, was hier vor sich ging. Ich hörte eilige Bewegungen, vielleicht ging jemand über die Bühne. Als ich mich umdrehte, schienen die Geräusche aus einer anderen Richtung zu kommen. Vorsichtig setzte ich meinen Weg fort, und die Laute wirkten weniger menschlich. Es klang mehr nach Mäusen, die hinter den Mauern eines alten Hauses herumscharrten. Die Muskeln in meinen Schultern verspannten sich, als stellten sich mir die Nackenhaare auf.
    Vielleicht spukte es hier. Jedes alte Theater hatte doch ein Gespenst, oder etwa nicht? Davor brauchte man keine Angst zu haben. Ich kannte mich mit Gespenstern nicht gut genug aus, um zu wissen, ob man sie zu fürchten hatte oder nicht. Ich versuchte, langsamer zu atmen.
    Vor mir stand eine andere Tür offen - eine Flügeltür mit langen Metallgriffen zum Umklappen. Dahinter schien es heller zu sein. Vielleicht befanden sich hier die Garderoben. Ich ging weiter und rechnete damit, auf noch einen Korridor zu stoßen, von dem zu beiden Seiten Türen abgingen. Vielleicht war ja praktischerweise an einer ein Namensschild mit dem Schriftzug »Odysseus Grant« angebracht.
    Stattdessen war da eine Werkstatt. Industrielle Werkzeuge standen in Gruppen zusammen, ihre Elektrokabel waren in Steckdosen an der Decke eingesteckt. Am Rand befanden sich andere industrielle Gerätschaften, wie eine große Hebebühne. Von der Decke baumelte ein Verlängerungskabel, als wäre eben noch jemand hier gewesen. Jetzt waren ohne Zweifel Schritte zu hören. Sie drangen von weither zu mir, als sei mir jemand durch die erste Notausgangstür gefolgt. Sie erklangen regelmäßig, aber nicht eilig, und wurden immer lauter.
    Ich ballte die Hände zu Fäusten und konnte die Krallen spüren, die in meinem Innern lauerten. Mach, dass du von hier wegkommst, winselte die Wölfin. Sie knurrte. Allerdings konnte ich nicht zurückgehen. Musste vorwärts. Ich stürzte durch eine andere Flügeltür am Ende der Werkstatt.
    Und landete auf einer Laderampe im Freien, hinter dem Theater. Die Tür fiel hinter mir ins Schloss, und ich rüttelte am Griff. Verschlossen. Aus der Wüste blies eine kühle Abendbrise herüber. Es roch nach Asphalt und Abgasen. Völlig normal. Allmählich ließ meine Anspannung nach, und ich kam mir dumm vor. So viel zu diesem Abenteuer.
    Auf dem Weg zur Vorderseite des Hotels bewunderte ich die schlichte schmuddelige Hinterseite des Gebäudes sowie den flüchtigen Blick auf die öde, leere Wüste jenseits der Straßen dahinter. Jetzt tat ich, was jeder normale Mensch von Anfang an getan hätte: Ich rief bei der Theaterkasse an und fragte, ob es möglich wäre, Odysseus Grant eine Nachricht zu hinterlassen. Binnen Minuten war ich mit der Pressestelle in Kontakt getreten und hatte ein Interview vereinbart.
    In unserem Hotelzimmer traf ich Ben an, der völlig durcheinander auf der Bettkante hockte. Er hatte die Ellbogen auf die Oberschenkel gestützt, seine Hände baumelten hinab, und er starrte viel zu konzentriert die Wand an. Anscheinend dachte er sehr angestrengt über etwas nach. Mein Eintreten quittierte er mit einem flüchtigen Blick.
    »Was ist los?«, fragte ich.
    Er richtete sich auf und verzog das Gesicht noch angestrengter, als überlegte er, wie er etwas am besten erklären sollte. »Diese Pokerpartie, an der ich teilgenommen habe? Sie ist ziemlich ... interessant verlaufen.«
    Wir waren noch nicht einmal verheiratet, doch ich erkannte bereits den schuldbewussten Tonfall. Ich setzte mich neben ihn aufs Bett. »Wie viel hast du verloren?«
    »Genau das ist es«, sagte er. Jetzt legte er verwirrt die Stirn in Falten. Es war ihm nicht gelungen, mir die Sache zu erklären. »Ich habe gewonnen.«
    Meine Augen traten hervor. »Du hast was? Das ist ja großartig!« Ich stellte mir vor, er habe genug gewonnen, um die Hochzeit zu bezahlen und dann noch etwas übrig zu haben. All die

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