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Die Stunde des Spielers

Die Stunde des Spielers

Titel: Die Stunde des Spielers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Vaughn
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dröhnenden Musik war nichts zu hören. Er war jetzt gefangen zwischen ihren lustvollen Verlockungen vor sich und der Pein in seinem Rücken. Sie neckten, folterten ihn, er wehrte sich wie ein wildes Tier im Käfig, und die Fackeln loderten, der künstliche Nebel wirbelte umher, und wurde es nicht allmählich heiß hier drin?
    Die Tiger kamen ihm zu Hilfe.
    Einer sprang auf die Spitze der Zikkurat und stieß ein Brüllen aus, rief die anderen drei herbei, die ihn flankieren sollten. Die Krieger versuchten, sich ihnen in den Weg zu stellen, doch die Tiger jagten sie, sprangen auf sie, rollten mit ihnen von der Bühne - niemand wurde verletzt, niemand blutete, es war alles ausgezeichnet choreografiert. Nachdem die Krieger verjagt waren, kehrten die Tiger zurück, um die sadistischen Beachboys in die Enge zu treiben. Letztere duckten sich angstvoll, zogen sich langsam zurück, bis die Tiger sie in eine Versenkung am Fuß der Zikkurat getrieben hatten, aus der Rauch emporstieg. Sie verschwanden unter Geschrei, das vom Band kam, und einem Nebelstoß.
    Alle vier Tiger kamen auf die Frau zu, die sich wild und zornentbrannt umsah, weil sie nicht bekommen hatte, was sie wollte. Sie warf den Kopf zurück, schrie zu den Dachbalken empor - und verschwand. Noch mehr Nebelschwaden sowie eine weitere Versenkung hatten sie verschluckt.
    Zwei Tiger stellten sich auf die Hinterläufe und schienen die Ketten durchzubeißen. Balthasar riss sich von den Handfesseln los, wandte sich mit einem triumphierenden Grinsen dem Publikum zu, in Siegerpose, von seinen tierischen Gefährten flankiert. Die Musik schwoll an, der Applaus wurde ohrenbetäubend, Balthasar verbeugte sich und der Vorhang fiel. Die Show war vorbei.
    Die Musik dröhnte weiter, während die Zuschauer in einer Reihe nach draußen marschierten. Das sich auflösende Publikum war voller kichernder Frauen. Das und die kitschige Rockmusik verursachten mir allmählich Kopfschmerzen.
    Als der Laden leer war, trat ein Platzanweiser an mich heran, führte mich durch eine Backstagetür und wies mich an, in der Nähe der Bühne auf Balthasar zu warten.
    Hier überwältigte mich der Geruch schier. Reif, voller Fell und dem Atem von Lebewesen, deren Ernährung fast nur aus Fleisch bestand. Ich musste nach Luft ringen, und die Hitze verwirrte mich, der Druck und noch etwas - es war nicht rein tierisch. Es wäre vielleicht so etwas wie ein Zoo zu erwarten gewesen. Doch das hier war mit Haut und Menschenschweiß vermischt, der unverkennbare Geruch von Lykanthropen, und zwar nicht nur von einem oder zweien, sondern von einem ganzen Rudel. Ein Revier. Hinter den Kulissen von Grants Show hatte es nach Schweiß und Anstrengung gerochen, nach Jahren von Auftritten und Menschen, die dort gearbeitet hatten, so dass eine geschichtsträchtige Atmosphäre entstanden war. Doch das hier war eine völlig andere Welt, knapp an der Grenze zur Wildnis. Gezähmt, aber nicht sehr. Die Wölfin wollte knurren - es fühlte sich wie das Betreten der Höhle eines Feindes an.
    Ich sah keine Lykanthropen. Keine Käfige. Hatten sie überhaupt Käfige? Oder Garderoben mit sternförmigen Schildern an den Türen? Ich fragte mich, wann ich Gelegenheit hätte, mich mit den Darstellern zu unterhalten. Wann sie keine Tiere wären.
    Ich konzentrierte mich gerade darauf, langsam zu atmen, meine Nerven zu beruhigen, als Balthasar mit einem strahlenden Lächeln auf mich zutrat. Noch bevor ich ihn sah, spürte ich seine Anwesenheit, so dass ich mich sammeln konnte, ohne mich von ihm erschrecken zu lassen. Er glühte immer noch von seiner Vorstellung. Dieser Rausch nach einer Show. Das kannte ich nur zu gut. Er schien nicht im Geringsten zu schwitzen und wirkte auch nicht müde. Andererseits machte er das hier auch jeden Tag.
    Ich brachte ein Lächeln zustande. Er trug Stiefel, eine schwarze Lederhose und ein weißes Seidenhemd, das offenstand und seine Brust zur Geltung brachte. Seine gewellten dunklen Haare mussten mit einer Tonne Gel gestylt sein, um so in Form zu bleiben, doch das Ganze sah natürlich aus. Er sah wie das Covermodel eines Liebesromans aus. Eines Liebesromans mit Piraten.
    »Hat es dir gefallen?«, fragte er.
    »Ich muss zugeben, dass es interessant gewesen ist.«
    »Interessant. Mehr nicht?«
    »Okay ... irgendwie war es sexy. Total sexy.« Ich errötete. Es lag nur an der Hitze. Die Fackeln - gasbetrieben - wurden erst jetzt allmählich gelöscht.
    »Gut. Das soll es auch sein.«
    »Sex verkauft sich wohl

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