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Die Stunde des Tors

Die Stunde des Tors

Titel: Die Stunde des Tors Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Dean Foster
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Hemd aussehen mochte.
    »Ich kann keine Gegengabe anbieten«, sagte er entschuldigend. »Nein, warte, vielleicht doch.« Er holte seine Duar vom Rücken. »Mögen die Weber Musik?«
    Ananthos' Antwort war unerwartet: Er streckte in einer unmißverständlichen Geste zwei Glieder aus. Jon-Tom reichte ihm vorsichtig das Instrument.
    Der Weber behielt seine halb sitzende, halb hockende Stellung bei und legte die Duar über zwei Knie. Er hatte weder Hände noch Finger, aber die acht Greifklauen an den vier oberen Gliedern zupften mit vorsichtiger Zartheit an den beiden Saitensätzen.
    Die Weise, die von der Duar aufstieg, war leicht und ätherisch, fremd, atonal und doch voll von fast Vertrautem. Wenn sie begann, normal zu klingen, trieb sie bald wieder auf sonderbare Weise ab. Nur wenige Töne trugen zu einer wirklichen Melodie bei. Ananthos' Spiel erinnerte Jon-Tom mehr an Shamisen-Musik*, als an eine Gitarre.
    [* Shamisen - eine japanische Laute - Anm. d. Übers.] Flor lehnte sich gegen den Mast, schloß selig die Augen und nahm die sonderbar dünne Melodie in sich auf. Mudge streckte sich zufrieden auf dem Deck aus, während Caz erfolglos versuchte, mit dem Fuß den zusammenhanglosen Rhythmus mitzuklopfen. Nichts beseitigt Fremdenfeindlichkeit so sehr wie Musik, gleichgültig, wie sonderbar die Rhythmen und wie unverständlich die Worte sind.
    Und während das kleine Boot beständig gegen die Strömung vorankam, stieg ein luftiger Wimmergesang von Ananthos und seinen Begleitern auf. Die Dreistufen-Harmonie war bizarr und kaum kräftig genug, den leichten Wind zu übertönen. Es war allerdings nichts Unheilvolles oder Dunkles an ihrem Gesang. Sogar Bribbens wurde trotz seiner unerschütterlichen Hingabe an sein Handwerk nachhaltig beeinflußt. Fischhäutige Finger trommelten in dem vergeblichen Versuch, die mystische Spinnenmelodie zu zähmen, gegen das Lenkruder.
    Es könnte passieren, dachte Jon-Tom, daß sie hier keine Verbündeten finden würden, aber er war sicher, daß sie bereits ein paar Freunde gefunden hatten. Er fingerte an den Enden des edlen Schals herum und erlaubte sich, entspannt und voller Wohlbehagen in den liebkosenden Zauber der schlichten Fuge der Spinnen zu sinken...
    Früh am Morgen ihres vierten Tages auf der Schildebene wurde er wachgerüttelt. Viel zu früh, dachte er, und seine Augen blickten verwirrt in den noch dunklen Himmel.
    Er rollte sich herum, und einen Augenblick lang blieb die Erinnerung schockierend hinter der Wirklichkeit zurück. Er zuckte heftig vor dem haarigen, mandibelbewehrten, viel- äugigen Gesicht zurück, das sich über ihn beugte.
    »Es tut mir leid«, sagte Ananthos sanft. »Habe ich dich zu abrupt geweckt?«
    Jon-Tom konnte nicht entscheiden, ob der Weber höflich war und einen diplomatischen Ausweg aus der Peinlichkeit anbot, oder ob es tatsächlich eine ehrliche Frage war. Auf jeden Fall war er dankbar, daß sie ihm ermöglichte, sich zu erinnern und sammeln.
    »Nein. Nein, nicht zu abrupt, Ananthos.« Er blinzelte in den Himmel. Noch waren ein paar Sterne erkennbar. »Aber warum so früh?«
    Hinter ihm klang Bribbens' Stimme auf. Wie gewöhnlich war der Bootsführer als erster wach und bei seinen Pflichten, bevor die anderen unter ihren warmen Decken hervorgekrochen waren. »Weil wir uns der Stadt nähern, Mensch.«
    Irgend etwas in der Stimme des Frosches brachte Jon-Tom dazu, sich rasch aufzusetzen. Es war keine Furcht, nicht einmal Sorge, sondern eine neue, üblicherweise im modulationslosen Tonfall des Schiffers nicht vorhandene Ausdruckskraft.
    Jon schob die Decke beiseite und sah Bribbens' Blick folgend über den Bug nach vorn. Dann war ihm klar, was das sonderbar Neue in der Stimme des Schiffers gewesen war: Staunen.
    Die ersten Strahlen der Sonne trafen auf die Berge, die vor dem Boot aufragten, eine Kette ungeheurer Gipfel, weit mächtiger als Zaryts Zähne. Mehrere der Kuppen verschwanden in den Wolken und tauchten über ihnen wieder auf. Jon-Tom war kein Geometer, aber wenn die Zähne mehrere über sechstausend Meter hohe Berge hatten, dann mußte diese Kette um die achttausend haben.
    Nicht ganz so mächtige Hänge beherrschten den Süden und den Norden. Die kolossale, in Gletscher und Wolken gehüllte Ostkette zeigte noch eine zusätzliche Besonderheit: aus mehreren der Gipfel drangen dunkler Rauch und hin und wieder flüssige rote Flammen. Dieses Gebirge war noch lebendig, wuchs noch.
    Die Funken und der Rauch, die über sie hinwegtrieben, kamen

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