Die Stunde des Tors
sonst sorge ich dafür, daß dein Körper im Fall seine Eingeweide zurückläßt...«
»Was zum Teufel hält ihn nur so lange auf?« Jon-Tom starrte besorgt zu der Höhle empor, in der Pog verschwunden war.
»Vielleicht sind die Höhlen sehr tief«, schlug Talea optimistisch vor. »Könnte sein, daß er eine ganze Weile braucht, bis er hinein- und hinausgelangt.«
»Vielleicht.« Bribbens blickte sehnsüchtig zu einem kleinen Bach hinüber, der am Fuß eines Eisfalls auf der anderen Seite des kahlen kleinen Plateaus entlangströmte. »Ach, wie ich mich nach einem Boot sehne.« Er hob einen seiner gewaltigen, in Schneeschuhen steckenden Füße.
»Das Gehen macht mir langsam zu schaffen. Ist nichts für einen Flußmann.«
»Wenn es dir ein Trost sein sollte, ich wäre im Augenblick auch lieber auf einem Boot«, meinte Jon-Tom.
Da zeigte Mudge mit wilden Gesten in die Höhe. »Immer mit der Ru'e, Kumpels. Da kommt er!«
»Und verdammt will ich sein, wenn das nicht so aussieht, als wäre er in Gesellschaft.« Talea zog ihr Schwert aus der Scheide, stellte sich kampfbereit auf und wartete ab, was dort vom Himmel auf sie herabstürzen mochte.
Pog kam auf sie zugeschwebt, wie ein schwarzer Scherenschnitt aus Kreppapier am hellem Himmel. Neben ihm flog eine ähnliche, aber um einiges massigere Silhouette, auf deren Rücken ein eindeutig lebendiger Buckel zu hocken schien.
Dutzende weiterer Flugwesen strömten nun aus der perforierten Wolkenklippe hervor wie Wasser aus einem Sieb. Sie gingen nicht in die Tiefe, sondern scharten sich zu einer gewaltigen, bedrohlichen Spirale über dem Plateau.
Zögernd schob Talea ihr Schwert wieder in die Scheide.
»Sieht nicht so aus, als hätten sie Pog etwas angetan. Wenn man bedenkt, daß sie eigentlich in der Überzahl sind, können wir genausogut davon ausgehen, daß sie uns freundlich gesinnt sind.«
»Eine typische Untertreibung, Flammenpelz.« Caz' Monokel tanzte einen Walzer mit der Sonne, als er den Hals streckte, um den sausenden Strudel über ihren Köpfen genauer zu mustern.
»Ich kann mindestens zweihundert Stück ausmachen. Von unterschiedlicher Körpergröße, aber von annähernd ähnlicher Gestalt. Ich glaube, es sind alles Eulen. Ich habe noch nie von einer derartig großen Gemeinschaft gehört, nicht einmal in Polastrindu, wo es doch eine ganz respektable Population flugfähiger Nachtwesen gibt.«
»Das ist wirklich seltsam«, stimmte sie ihm zu. »Sie sind gegen Gesellschaft und bewachen argwöhnisch ihr Privatleben, was zu dem paßt, was uns die Weber über die Eisen-Wolke berichtet haben. Und doch scheinen sie hier eine Gemeinschaft errichtet zu haben.« Pog landete neben dem großen Felsen, hinter dem er sich vor gar nicht langer Zeit zu verstecken versucht hatte. Das ihn beschattende Flugwesen bremste mit Flügeln, die eine Spannbreite von drei Metern hatte. Die Wucht des Luftstoßes wehte Flor beinahe um.
Das Wesen stolzierte geziert ein paar Schritte, schüttelte sein Gefieder und blieb stehen, um sie anzustarren. Die hohen Federbüschel auf dem Kopf wiesen es als ein Exemplar der Ohreulenart aus. Beeindruckender als die Größe des Vogels waren für Jon-Tom seine riesigen Augen, die wie Pfützen aus nachdenklichem Schwefel aussahen.
Der Buckel auf seinem Rücken, den nicht einmal Caz genauer hatte ausmachen können, löste sich nun von dem leichten Sattel mit dem hohen Rückenteil. Das Wesen nahm seine schmucken Ohrenschützer ab und hängte sie sich um den Hals, schnallte seinen Poncho auf und lehnte sich gegen den linken Flügel seines Gefährten.
Nun löste sich die Spirale am Himmel auf. Die Mehrzahl der Flugwesen kehrten in ihre Höhlen im Hämatit zurück. Einige wenige bezogen Wachposition.
Jon-Tom musterte den Lemuren, der dicht neben der Eule stand. Nun war es kein Geheimnis mehr, wer sich der dünnen Knotenstricke bediente, die aus den Höhlen herabhingen. Mit ihren winzigen Körpern und ihren kräftigen, gelenkigen Fingern und Zehen konnten die Lemuren die Seile ebenso behende und mühelos hoch- und herunterklettern wie Jon-Tom eine Aschenbahn hätte entlanglaufen können.
Pog schwang sich von seinem Felsen und begab sich zu seinen Freunden. »Diescher Typ hier heischt Tolafay.« Er zeigte mit einer Flügelspitze auf die finster dreinblickende Eule. »Und schein Himmelschkumpan heischt Malu.«
Der Lemur trat vor. Er war kaum einen Meter groß. »Euer Freund hat uns viel erklärt.«
»Ja. War eine mächtig seltsame Geschichte.« Die
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