Die Sturmjäger von Aradon - Feenlicht - Die Sturmjäger von Aradon - Feenlicht
liegt. Verlasst euch bitte nicht nur auf mich«, sagte Hel kleinlaut.
Kelda sah sie eindringlich an. »Habe mehr Selbstvertrauen. Du musst dich nicht kleiner machen, als du bist.«
Sie wurde rot. Und schämte sich umso mehr.
»Nun, dann lasst uns aufbrechen. Ich schlage vor, wir folgen der Ader nach Norden, bis wir Orrún erreichen. Dort enden die Straßen Aradons. Dann sind wir auf uns allein gestellt. Am Fuß der Gebirge können wir nach Westen reisen und hoffen, dass wir auf Naruhl stoßen.« Olowain seufzte tief. »Wieso kann sich diese Isin nicht in einer ganz gewöhnlichen Stadt verstecken?«
Kelda erhob sich und schulterte seinen Beutel. »Sie ist schließlich keine gewöhnliche Isin, oder?«
Der alte Wirt ließ sich nicht davon abbringen, jedem von ihnen in Papier eingewickelte Kartoffelscheiben in die Hand zu drücken, ehe sie die Herberge verließen.
»Kommt wieder!«, rief er ihnen nach. Hel winkte zum Abschied. Als sie auf die Straße zurückkehrten, warf sie einen skeptischen Blick in ihr Päckchen und zog mit Daumen und Zeigefinger ein graues Haar zwischen den Kartoffeln heraus. »Ihh. Ich glaube, ehe ich das essen kann, werde ich …«
Nova drehte sich kauend zu ihr um und zerknüllte sein Papier. »Willst du nicht?«, schmatzte er und deutete auf ihre Kartoffeln. Verdutzt ließ sie sich das Päckchen aus der Hand nehmen und sah zu, wie er sie sich in den Mund warf. Eine Gänsehaut schoss ihr über den Nacken.
»Hab ich einen Hunger!«
Harlem hielt ihm ihre Kartoffeln hin. Alle anderen hatten ihre Portionen bereits am Straßenrand entsorgt.
»Oh, äh, nein danke«, sagte Nova hastig. Harlem warf ihm einen überraschten Blick zu, zuckte aber dann mit den Schultern und legte das Päckchen auf ein Fenstersims.
»Ich glaube nicht, dass sie dich vergiften will«, raunte Hel ihm zu, als die Zwergin ein Stück vor ihnen lief. »Obwohl … mit den Kartoffeln wäre ihr das wahrscheinlich sogar gelungen. Unbeabsichtigt.«
Nova lächelte unsicher. Dass Hel seine Furcht vor der Attentäterin sah, schien ihm unangenehm. Aber Hel fand nichts Schlimmes daran - sie kannte schließlich weitaus feigere Seiten an ihm. Aufmunternd drückte sie seinen Arm.
Sie verließen Pellinar durch das Tor, durch das sie letzte Nacht gekommen waren. Im bleigrauen Tageslicht wirkten die Gassen nicht gar so verworren wie in der Dunkelheit, trotzdem war Hel froh, die Stadt zu verlassen. Aufruhr lag in der Luft und der Wind strich rastlos aus immer neuen Richtungen durch die Straßen. Angst atmete aus den Häusern.
Am Tor standen heute fast noch mehr Wachen als letzte Nacht. Die Männer wirkten grimmig und übernächtigt. Manche von ihnen hatten zerrissene Wämser, sodass man kaum noch das rote Zeichen erkennen konnte. Olowain trug wieder seine Kapuze, um sein weißes Haar zu verbergen, und sein Stab hatte sich in den knotigen hölzernen Wanderstock
verwandelt. Die Wachen bedachten nur Kelda mit argwöhnischen Blicken, ließen sie aber wortlos passieren.
Vor der Stadt waren noch immer Lager. Die Isen hatten Holzstäbe in den Boden gesteckt und Decken übergeworfen, um darunter zu schlafen oder sich unbeobachtet zu beraten. Hier und da brannten kleine Flammen, doch die meisten Feuerstellen waren erloschen, schwarze Krater im Boden wie Einschläge von Kometen. Ein alter Ise stand an einen Stab gelehnt bei den Zelten und sang. Seine Stimme schwang im Wind wie zerknittertes Papier, mal Heulen und mal zitterndes Summen. Hel konnte nicht entscheiden, ob es furchtbar oder wunderschön klang - vielleicht beides. Eine stille Niedergeschlagenheit kam über sie. Sie musste die isischen Worte nicht verstehen, um zu wissen, dass der Alte von Schmerz sang, von Verlust und Verzweiflung. Ein warmes Brennen stieg hinter ihren Augen auf, sie biss die Zähne zusammen, um die Tränen zu unterdrücken. Und plötzlich musste sie an Mercurin denken.
Mercurin, der ihr immer noch so nahe schien. Dessen Stimme, dessen Blick stets hinter allen Gedanken lag, gebettet in den weichen Nebel unberührter Erinnerung. Wenn er doch nur zugelassen hätte, dass sie ihn kennenlernte! In diesem Moment war sie ganz sicher, dass er etwas Schreckliches für sich behalten hatte. Jeder trug irgendeine Bürde, schien ihr, niemandes Vergangenheit war ohne Albträume. Aber seine Verschwiegenheit ließ sie Schlimmes vermuten. Über Gharras Tod zu sprechen, fiel ihr schon schwer, aber wie viel entsetzlicher mussten Dinge sein, die man gar nicht aussprechen
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