Die Sturmjäger von Aradon - Feenlicht - Die Sturmjäger von Aradon - Feenlicht
schon wach, Harlem und Nova schliefen noch. Unter den Bäumen ließ sich nur schwer erkennen, wie spät es war, aber Hel hatte das Gefühl, dass sie recht lange geschlafen hatte.
Nach einer Weile erwachten auch Nova und Harlem. Die Zwergin wirkte schlecht gelaunt und zerknittert; Hels »Guten Morgen« erwiderte sie mit einem Brummen. Dann stand sie auf und machte ein paar Dehn- und Streckübungen. Staunend beobachteten Hel und Nova, wie sie sich jeweils ein Bein bis hinter den Kopf schob. Dann hüpfte sie auf der Stelle und zog blitzschnell ihre Stilette. Nova zuckte zusammen. Als Harlem ihm einen überraschten Blick zuwarf, tat er, als würde er sich räkeln, und gähnte laut. Harlem steckte ihre Waffen wieder ein und ließ ihren Nacken knacken. »Hätte ich bloß meine Hängematte dabei. Ich glaube, ich habe auf lauter Wurzeln und Steinen gelegen.«
Auch die anderen Gefährten erwachten nun. Sie aßen und tranken, und Olowain nötigte Arill, ihm die Schultern zu massieren. Etwas gehemmt kam der Söldner dem Befehl nach. Während der Magier ihm Anweisungen erteilte, ließ Arill den Blick zwischen den Gefährten umherschweifen, damit ja niemand sich über ihn lustig machte. Relis und Berano drehten sich nach ihren Waffen um und grinsten breit.
Wie gestern kamen die Wrauden bei Einbruch der Nacht. Sie ritten los und diesmal wurde Hel nicht mehr so schnell müde. Die Straße schlängelte sich lange Hänge hinauf und durch finstere Täler. Einmal öffnete sich der Wald, und sie passierten eine Steinbrücke, die im klaren Mondlicht schimmerte wie Silber. Bis in die Ferne sah Hel bewaldete Hügel und Himmel. Dann tauchten sie wieder in die Umarmung der Bäume ein, und die Welt schrumpfte zusammen, bis sie nur noch aus der schmalen Straße zu bestehen schien.
Irgendwann in der Nacht sah Hel Lichter vor ihnen tanzen. Die Wrauden wurden langsamer. Über einem Hang brannten Feuer wie rote Augen im Schwarz. Jemand musste dort oben lagern. Die Wrauden witterten die Luft, wurden dann wieder schneller und preschten an den Lichtern vorüber. Hel glaubte, isischen Gesang zu hören … gewiss waren es Isen, noch mehr Flüchtlinge. Vielleicht auf der Suche nach den Rebellen wie sie.
Bei Sonnenaufgang rasteten sie am Wegrand und Hel schlief sofort ein, geschützt und warm in ihrem Umhang.
Drei Tage und Nächte vergingen so. Allmählich gewöhnten sie sich an die Schlafumstellung, auch wenn Hel sich dem Leben seltsam entrückt fühlte, so fast ohne Sonnenlicht. Aber die Wrauden waren Nachttiere und sie bestimmten den Rhythmus ihrer Reise.
In der Dunkelheit begann Hel, den Silberling aus ihrer Augenklappe zu nehmen. Sie beobachtete die Welt mit der zweiten Sicht, sah das Licht der Tiere, die Magie im Land vorüberziehen wie Sternschnuppen … alles erinnerte sie so sehr an früher, an Nächte auf der Schwalbe , als sie nach Stürmen Ausschau gehalten hatte … und auch an ihre langen Märsche durch die Wüste, die Tiefe der Nächte, in denen die zweite Sicht umso strahlender gewesen war.
Hin und wieder ritten sie an anderen Wanderern vorbei. Sie sahen Lager, die am Wegrand aufgeschlagen waren; einmal bemerkte Hel eine Gruppe von mindestens fünfzig Leuten hinter den Bäumen. Weder Leuchtkugeln noch Fackeln verrieten sie, aber mit der zweiten Sicht sah Hel sie ganz deutlich. Die schlafenden Körper hatten etwas Unheimliches an sich, wie sie so in der Dunkelheit lagen, als hätte jemand leuchtende Samenkörner eingepflanzt.
Am Morgen des vierten Tages erschien eine kleine Stadt neben der Ader. Ein Wasserfall stürzte von den Felsen und strömte an den Häusern vorbei. Die Gesandten beschlossen, in einer Herberge einzukehren und neuen Proviant zu besorgen. In einiger Entfernung hielten die Wrauden an und ließen sie absteigen. Dann sprangen die großen Katzen in die Wälder zurück, um bald mit der Dämmerung zu verschmelzen. Hel sah ihnen nach und konnte trotz der Bewunderung für die anmutigen Tiere nicht ganz den Gedanken daran verdrängen, wie sie auf Jagd gingen. Sie fröstelte vor Mitleid mit den Rehen oder Wildschweinen, die von den Wrauden überrascht werden würden. Plötzlich musste sie sich an die Lager erinnern, an denen sie vorbeigeritten waren. Aber die Wrauden fraßen gewiss keine Isen - wo sie doch Kelda als einen von ihnen ansahen.
Gleich am Stadtrand war ein Wirtshaus, das sie mit seinem
zerzausten, niedrigen Strohdach und den runden Fenstern anzulächeln schien wie ein gutmütiges Großmütterchen.
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