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Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Titel: Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Straben folgte der Spur zum Rand der gemauerten Anlegestelle und wies auf den grauen Fluss. »Er hat unseren Wolfsjäger einfach in die March gestoßen. Falls unser Caspar zu dem Zeitpunkt noch gelebt haben sollte, wird ihm das eisige Wasser auf jeden Fall den Rest gegeben haben, denn … «
    Gabriela fühlte, wie ihr die Knie weich wurden. Sie war Caspar gewesen, und jemanden in solch kalter Sachlichkeit über einen Tod sprechen zu hören, den man selbst hätte erleiden sollen, ging an die Grenze ihrer Kräfte. Wer in Gottes Namen hatte in der letzten Nacht an ihrer Stelle sterben müssen?
    »Ist Ihnen nicht wohl, Fräulein von Bretton?«
    »Es geht schon.« Sie hob abwehrend die Hände. Auf keinen Fall wollte sie von dem Arzt berührt werden. Er erschien ihr wie die Verkörperung des Todes. Sie musste sich zusammenreißen. »Und woraus schließt Ihr, dass es Caspar war, der ermordet wurde?«
    »Nun, meine Liebe, die Antwort auf diese Frage liegt auf der Hand. Wir haben seinen Dreispitz mit der Borte aus Wolfsfell hier am Ufer gefunden. Und dort unten … «, er wies zu den Fluten der March hinab, »… dort, wo sich am Ufer Eis gebildet hat, lag sein blutverschmiertes Hemd. Ihr Onkel hat befohlen, dass die Schiffer mit langen Stangen den Grund des Flusses absuchen sollen. Auch hat er berittenen Patrouillen aufgetragen, stromabwärts an beiden Ufern zu suchen. Dennoch ich muss Euch gestehen, gnädiges Fräulein, dass ich keine große Hoffnung habe. Eine Leiche, die man dem Fluss anvertraut, bleibt nur allzu oft auf immer verschollen.«
    Unruhig ging von Bretton auf dem Flur vor dem Kartenraum auf und ab. Seine Schritte hallten auf dem Boden laut wie Musketenschüsse. Schweißnass klebten ihm die Kleider am Leib, und doch fror er. Es war kalt hier auf dem langen Flur, und der Atem stand ihm vor dem Mund. Leise hörte er Stimmen im Kartenzimmer. Er hatte allen Wachen in diesem Teil der Kommandantur befohlen, heute Morgen nicht ihre Posten zu beziehen. Wie auch immer das Gespräch im Kartenraum enden mochte, es wäre besser, keine Zeugen zu haben. Straben hatte ihm eigentlich befohlen, sein Bett nicht zu verlassen. Doch der Tag, an dem er sich nicht mehr aus der Matratzengruft erheben könnte, würde noch früh genug kommen. Er musste wissen, was in dem Zimmer gesprochen wurde!
    Der Festungskommandant erstickte einen Hustenanfall in seinem Taschentuch. Verfluchte Krankheit! Früher hatte er auf Feldzügen den halben Winter in zugigen Quartieren verbracht und jetzt …
    Wieder begann er seinen endlosen Marsch den Flur hinauf und hinab. Wenn er stehen blieb, musste er sich auf seinen Offiziersstock aufstützen. Das machte ihm seine Schwäche nur noch bewusster. Also marschierte er, den Blick entweder fest auf das Fensterkreuz am einen Ende des Flurs oder auf den polierten Messinggriff an der Tür am entgegengesetzten Ende geheftet. Mehr als zwei Stunden waren die beiden jetzt schon im Kartenraum, dachte von Bretton. Was sie nur so lange zu besprechen hatten?
    Als er wieder an das Fenster gelangte, blickte er zur Uhr am Turm des Rathauses. Fast schien es, als wolle die Zeit überhaupt nicht vergehen. Der große, goldene Zeiger war kaum vorgerückt, seit er das letzte Mal nach ihm gesehen hatte. Fröstelnd rieb der General sich mit den Händen über die Arme. Er trug seinen schweren Tuchmantel, doch selbst der mochte ihn kaum vor der Kälte zu schützen, die sich immer tiefer in seine Knochen fraß. Elendes Alter …
    Ein Geräusch ließ ihn herumfahren. Der Abt trat auf den Flur und schloss hinter sich die Tür. Auf seinem ernsten Gesicht spiegelte sich nicht die geringste Regung. In seiner langen schwarzen Robe wirkte er fast wie eine große Krähe. Langsam kam er nun auf von Bretton zu. Der Offizier stützte sich auf das Fenstersims.
    »Ihre Nichte ist eine schwer geprüfte junge Frau«, erklärte der Jesuitenabt in teilnahmslosem Tonfall. »Als ihre Mutter und ihr Bruder am Fieber gestorben sind, hat ihr Vater sie wie einen Jungen erzogen. Das ist der Grund für ihre Verwirrung … Es gibt keinerlei Anzeichen für eine Besessenheit bei ihr. Dennoch muss ich Sie ermahnen, in Zukunft ein strengeres Regiment in Ihrem Haushalt zu führen, Herr General. Gabriela war zwar reuig und einsichtig, doch fürchte ich, dass ihr Wesen zutiefst wankelmütig ist. Achten Sie also darauf, dass sie sich nicht auf ein Neues als Mann ausgibt!« Der Hauch eines Lächelns spielte um die dünnen Lippen des Abtes. »Übrigens, meine

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