Die Suche nach dem Drachenring (German Edition)
aussieht."
Leo blieb ernst. „Scheint so, als hätte diese Welt ein Eigenleben entwickelt. Wer weiß, ob sich die Figuren überhaupt noch von außen steuern lassen. Vielleicht machen die einfach, was sie wollen?"
„Schon möglich, aber das werden wir wohl erst erfahren, wenn wir wieder zu Hause sind, und zwar mit meinen Eltern! Obwohl … Bisher finde ich es hier gar nicht so schlecht."
„Frida ist klasse. Ich wünschte, sie wär' meine Mutter."
„Dann müsstest du immer Nachthemden tragen."
Im nächsten Moment flog Phil ein Kissen an den Kopf. „Sehr witzig", brummte Leo beleidigt. „Du hast keine Ahnung, wie es ist, wenn man sich zu Hause überflüssig fühlt."
Phil warf Leos Kissen zurück und verschränkte die Arme unter dem Kopf. Nein, überflüssig war er sich noch nie vorgekommen. Auch wenn seine Eltern manchmal wenig Zeit hatten, gaben sie ihm immer das Gefühl, für sie das Wichtigste auf der Welt zu sein. Phil wusste, dass er mit ihnen über alles reden konnte und dass sie ihn vor allem ernst nahmen. Er konnte sich keine besseren Eltern vorstellen.
Nach einer Weile richtete sich Leo auf und sah Phil verlegen an. „Tut mir leid wegen eben. Du hast selber genug um die Ohren."
„Schon gut." Phil rollte sich zusammen und schloss die Augen.
Schule einmal anders
Der Duft frisch gebackener Brötchen weckte Phil und Leo, bevor Frida an die Zimmertür klopfte. Leo saß zuerst am Frühstückstisch. Als Phil sein Messer in die Hand nahm, kaute er bereits an einem Leberwurstbrötchen.
„Möchtet ihr zur Schule reiten oder laufen?", fragte Frida, während sie Milch in große Tassen goss.
Leo bekam einen Hustenanfall. Nur mit großer Mühe gelang es ihm, zwischendurch „lau...hau...haufen" zu keuchen.
Fridas braune Augen glitzerten. „Zu Fuß braucht ihr fast eine halbe Stunde, mit dem Pferd nur wenige Minuten."
„Ja, aber dafür brauche ich den ganzen Tag, um mich wieder zu erholen", sagte Leo mit kratziger Stimme. „Phil?" Leo sah Phil an wie ein Hund, der um einen Knochen bettelt. Obwohl Phil lieber geritten wäre, entschied er sich ihm zuliebe ebenfalls für den Fußmarsch.
„Wie ihr meint, aber irgendwann werde ich euch beibringen, wie man die Pferde ruft. Das kann sehr nützlich sein."
Wieder hustete Leo.
Nach dem Frühstück holten sie ihre Rucksäcke. „Ich habe gar nichts zum Schreiben mit", stellte Leo erschrocken fest.
„Keine Sorge, alles, was ihr für den Unterricht benötigt, bekommt ihr in der Schule. Und schreiben werdet ihr wohl nicht viel", beruhigte ihn Frida. Phil war erfreut, das zu hören.
Sie liefen auf einem schmalen Sandweg durch die Wiesen, in der Ferne leuchteten bunte Dächer.
„Da drüben ist das Dorf. Von dort führt eine Baumallee direkt zur Schule", erklärte Frida. Bald konnten sie zwischen rot und weiß blühenden Kastanienbäumen eine grün gepflasterte Straße erkennen. Auf ihr gelangten sie geradewegs zu einem geschmiedeten Tor, das von einer undurchdringlichen Dornenhecke eingefasst war.
Zum Abschied umarmte Frida beide. „Meldet euch zuerst bei Direktor Junker. Sein Büro ist gleich links neben der Eingangstür. Leider kann ich euch heute nicht abholen, aber ihr kennt ja jetzt den Weg."
„Ich dachte, wir dürfen nur am Wochenende nach Hause", wunderte sich Phil.
„Heute ist doch schon Freitag, jedenfalls bei uns."
Leos Mundwinkel wanderten nach oben. „Dann wird's ja eine kurze Schulwoche."
Frida rief ihren Schimmel, sprang auf und ritt winkend davon. Bald war sie nur noch als kleiner Punkt erkennbar. „Vielleicht sollten wir uns das mit den Pferden bei Gelegenheit mal zeigen lassen", sagte Phil.
Leo schüttelte energisch den Kopf. „Da kann ich sehr gut drauf verzichten."
Phil berührte den Knauf des Tores, einen in Gold gefassten, dunkelgrünen Stein.
„Ist der echt?"
„Klar, das ist ein Smaragd", bestätigte Leo. „Hast du gesehen, womit die Straße gepflastert ist?"
Die ovalen Steine schimmerten dunkelgrün in der Sonne. Phils Augen weiteten sich. „Sind das etwa auch ...?" Leo nickte.
„Das ist ja pure Verschwendung." Phil bückte sich. „Ob ich einen mitnehmen kann – als Souvenir?"
„Lassen Sie sich ja nicht einfallen, in der Straße herumzupolken", keifte jemand hinter ihnen. Sie wirbelten herum.
Eine kleine, dicke Frau mit geschwollenen Tränensäcken unter den giftig dreinblickenden Augen hatte sich hinter dem Tor aufgebaut. „Und überhaupt, was lungern Sie hier herum? Alle anständigen Jungen in Ihrem Alter
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