Die Suche nach dem Drachenring (German Edition)
Sie sah zerzaust aus und blutete aus mehreren Wunden. Frida behandelte sie mit Zwiebelsaft, bevor sie auf ihrem Schimmel ins Dorf ritt. Manne blieb bei der Herde. Unermüdlich drehte er seine Runden, mit Phil und Leo im Schlepptau.
Es dauerte den halben Sonntag, bis ein großes Stück Wiese vollständig eingezäunt war. Ein Mann mit merkwürdig abstehenden Haaren schloss neben dem eingebauten Tor einen Generator an. Als er ihn einschaltete, knisterte es leise. Frida wirkte zufrieden. „Nun können die Wölfe ruhig kommen, wir erwarten sie mit Hochspannung", sagte sie und bedankte sich bei allen Helfern.
Sie belehrte die Schafe, dem Zaun nicht zu nahe zu kommen. Zur Abschreckung warf sie eine Handvoll geschorener Wolle auf den Draht, die sofort verschmorte. Die Schafe waren so geschockt, dass sie in die entgegengesetzte Richtung auf den Zaun zurasten. Sicher wären die Ersten gegrillt worden, hätte Mira sie nicht zurückgetrieben. „Sie sind manchmal schwierig", seufzte Frida.
Als sich sämtliche Männer verabschiedet hatten, rief Frida die Pferde. Einen Augenblick später stürmten sie heran, voran der schwarze Hengst, der übermütig über den Zaun sprang. Ein paar Schafe suchten blökend das Weite.
„He, das ist kein Parcours", rief Frida erschrocken, doch das Pferd warf nur laut wiehernd den Kopf zurück, nahm Anlauf und setzte mühelos wieder über.
„Angeber." Zärtlich tätschelte Frida seinen glänzenden Hals.
Phil fragte sich, ob es dem Hengst wohl egal war, was bei solchen gewagten Sprüngen aus seinem Reiter wurde.
Vor den mit Schafswolle beladenen Wagen spannte Frida den Schimmel und die fuchsrote Stute. Leo kletterte hinauf und ließ sich in den weichen, weißen Berg fallen. „Und du willst wirklich nicht mit?"
„Immer noch nicht." Wenn Phil sich einmal entschieden hatte, änderte er nur ungern seine Meinung. Außerdem nervte es ihn, wenn er mehrmals dasselbe gefragt wurde. Der schwarze Hengst schnaubte ungeduldig. „Wir sollten heute keine großen Sprünge machen", sagte Phil in der Hoffnung, das Pferd würde ihn verstehen, und schwang sich müde auf dessen Rücken.
Tatsächlich lief der Hengst etwas langsamer, Phil bedankte sich mit extra Streicheleinheiten. Dann lümmelte er sich in einen von Fridas Liegestühlen. Er zog das Foto seiner Eltern aus der Tasche und strich mit dem Finger darüber. Mit einem unangenehmen Stechen in der Magengegend dachte er an die Begegnung mit dem Wolf. Angst überkam ihn, dass seine Hilfe zu spät kam. Doch Phil verscheuchte sie sofort wieder. Er musste seine Eltern finden, egal, was passierte. Und er musste Leo heil aus dieser Sache herausbringen. Furcht konnte er sich nicht leisten.
Hufgetrappel schreckte ihn auf. Er musste eingenickt sein, das Foto lag auf dem Terrassenboden. Als er sich danach bückte, beobachtete er aus den Augenwinkeln, wie Leos fuchsrote Stute herangetrabt kam, direkt auf ihn zu. Wenn sie jetzt bremst, habe ich Leo auf dem Schoß, dachte Phil und machte sich auf einen Sturz gefasst. Doch Leo schaffte diesmal den Absprung, bevor Emma unsanft nachhalf. Die Stute ließ sich von ihm streicheln, empfing eine Belohnung von Frida und schritt würdevoll von dannen.
Ausgelassen tanzte Frida mit Leo über die Terrasse. Dann ließ sich Leo auf den Liegestuhl neben Phil fallen und reckte den rechten Daumen in die Höhe.
Etwas außer Atem beugte sich Frida über das Foto in Phils Hand. „Sind das deine Eltern?", fragte sie.
„Ja." Phil reichte ihr das Bild.
„Sie sehen glücklich aus. Du vermisst sie bestimmt sehr." Frida sprach mit gedämpfter Stimme. Plötzlich überkam Phil eine tiefe Traurigkeit. Hastig steckte er das Bild wieder in seine Hosentasche.
Frida strich ihm sanft über das Haar. „Ich glaube, wir könnten jetzt alle eine Stärkung brauchen. Hat jemand Lust, mir zu helfen?"
Beinahe gleichzeitig erhoben sich Phil und Leo und folgten Frida in die Küche. Etwa fünf Minuten später schickte sie die beiden wieder auf die Terrasse zurück, Phil mit einem Pflaster um den Finger und Leo mit Tränen in den Augen vom Zwiebelschneiden.
Allerdings hatte sie Phil einen Korb mit Geschirr in die Hand gedrückt. Zuoberst stand eine Schüssel voller kleiner, brauner Kugeln mit Stiel, die kräftig nach Schokolade rochen. Es kostete ihn einige Willenskraft, nicht augenblicklich darüber herzufallen, er musste ständig schlucken. In stummem Einvernehmen stellten sie die Schüssel unter den Tisch und stülpten den leeren Korb darüber,
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