Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sünde der Brüder

Die Sünde der Brüder

Titel: Die Sünde der Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
weil er fürchtete, Dunsany könnte zusammenbrechen.
    Die ungebürstete, ungepuderte Perücke des alten Mannes streifte seine Wange; Dunsany war doch früher größer gewesen? Die Arme des Grafen waren immer noch kräftig, sie umklammerten Grey mit der Stärke der Verzweiflung, und er spürte, wie ein leises Beben durch den ausgetrockneten Körper lief, der sich an ihn presste.
    »John«, flüsterte Dunsany und erschreckte ihn damit noch mehr, denn nie zuvor hatte ihn der Graf mit seinem Vornamen angesprochen. »Möge Gott mir vergeben, John. Es ist alles meine Schuld.«
    »Unsinn, Unsinn«, murmelte er. Er hatte zwar keine Ahnung, was Dunsany meinen könnte, klopfte dem Alten aber sacht auf den Rücken, sodass ihm der Staub von seinem Rock in die Nase stieg und er den säuerlichen Geruch ungewaschener Haut einatmete. Er hob diskret den Blick; der Butler, der ihm die Tür geöffnet hatte, stand dicht neben ihnen. Er hatte Greys zerdrückten Hut in der Hand, und die Bestürzung über den Zustand seines Herrn war ihm deutlich anzusehen.
    »Vielleicht etwas Brandy?«
    Trotz Dunsanys schwachem Einwand, es sei noch nicht einmal Mittag, verschwand der Butler eilfertig.
    »Mittag an einem verdammt kalten, nassen, ungemütlichen Tag«, sagte Grey entschlossen und eskortierte Dunsany zu dem Sessel zurück, von dem er aufgestanden war. Er räusperte sich, denn die Tränen, die er um Geneva nicht geweint hatte, waren ihm nun beim bemitleidenswerten Anblick ihres Vaters gekommen. Er blinzelte einige Male und bückte sich dann nach dem Schüreisen.
    »Soll das etwa ein Feuer sein?«

    »Ja.« Dunsany bemühte sich tapfer, sich wieder zu fassen, und brachte ein schwaches Lächeln zustande. »Als was würdet Ihr es denn bezeichnen?«
    »Als vollkommen unzureichend.« Es war ein kleines Feuer, geradezu knauserig, obwohl es reichlich trockenes Holz und einen Korb mit Torf gab. Einem Impuls folgend fachte er das Feuer beinahe waghalsig an und warf dann zwei Stücke Torf in die Flammen. Augenblicklich fing das Zimmer an, danach zu riechen, ein dunkler, uralter Moorgeruch. Es war der Geruch Schottlands, und ein Schauer, der nichts mit dem kalten Tag zu tun hatte, lief Grey über den Körper.
    »So ist es schon besser.« Er zog einen zweiten Sessel vor den Kamin und setzte sich. Dann rieb er sich gespielt energisch die Hände, während er sich fragte, was in aller Welt er sagen sollte.
    Dunsany ersparte ihm die Mühe.
    »Es ist so gütig von Euch, dass Ihr gekommen seid, John.« Er versuchte sich erneut an einem Lächeln, und diesmal gelang es ihm besser. Beinahe unwillkürlich streckte er die zerbrechlichen Hände nach dem Feuer aus. »Hattet Ihr eine sehr schlimme Reise? Dieser unaufhörliche Regen …«
    »Ganz und gar nicht«, sagte Grey, obwohl die Straßen aus flüssigem Schlamm bestanden hatten, sofern sie überhaupt noch existierten. Derzeit trug er nur Strümpfe, weil er seine verkrusteten Stiefel und seinen durchnässten, schmutzigen Umhang im Flur gelassen hatte, doch Dunsany schien es nicht zu bemerken. »Eure Frau - ist sie …?«
    Der schwache Hauch von Leben, der Dunsanys Wangen erwärmt hatte, verschwand wie eine ausgelöschte Kerze.
    »Ah. Ja. Sie ist… wie ein Fels«, sagte Dunsany leise, ohne den Blick vom Feuer zu lösen, das jetzt mit der kleinen blauen Flamme zu glühen begonnen hatte, die typisch für Torf ist. »Ein Fels«, wiederholte er, diesmal mit mehr Nachdruck. »Ihre Standhaftigkeit hat uns allen Kraft gegeben.«
    Ach ja ?, dachte Grey. Irgendetwas stimmte hier nicht. Noch nie war es vorgekommen, dass ihn Lady Dunsany nicht Sekunden
nach seiner Ankunft begrüßte, doch jetzt war sie nirgendwo in Sicht. Auch hatte er noch nie erlebt, dass sie weit von der Seite ihres Mannes wich - doch jetzt wurde ihm klar, dass das sparsame Kaminfeuer nicht allein an der trostlosen Atmosphäre des Zimmers schuld war. Es war sauber und aufgeräumt, doch seine übliche Wärme - die zum Großteil daher rührte, dass Lady Dunsany überall ein Durcheinander hübschen Kleinkrams hinterließ - war völlig dahin.
    »Ich freue mich darauf, Lady Dunsany meine Ehrerbietung zu erweisen«, sagte Grey vorsichtig.
    »Oh, sie wird so froh sein - oh!« Erst jetzt begriff der Graf, und er begann, sich aus seinem Sessel hochzukämpfen. »Was für ein Idiot ich heute bin, Lord John, bitte verzeiht mir. Ich habe ganz vergessen, Hanks zu ihr zu schicken, um ihr zu sagen, dass Ihr hier seid!«
    Doch der Graf war kaum wieder auf den Beinen, als

Weitere Kostenlose Bücher