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Die Suende der Engel

Die Suende der Engel

Titel: Die Suende der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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aber nicht so peinlich, wie die gluckenhafte Besorgnis um seine Tochter zuzugeben. »Vielleicht bin ich deshalb so blaß.«
    »Wahrscheinlich ist das nicht die richtige Zeit, um Besuche zu machen«, meinte Dana, »aber ich dachte, am ersten Abend ohne Tina fühlen Sie sich vielleicht einsam. Deshalb wollte ich nach Ihnen sehen und einen Wein mit Ihnen trinken.«
    Sie schwenkte die Flasche. Eine Billigsorte aus dem Supermarkt, erkannte Michael. Es rührte ihn, daß sich Dana Gedanken um ihn machte. Ein sympathischer Zug, das mußte er zugeben, auch wenn er Dana für gewöhnlich
nicht besonders mochte. Es hing damit zusammen, daß er grundsätzlich wenig übrig hatte für unkonventionelle Menschen, und Dana war höchst unkonventionell. Auch jetzt wieder: Tauchte nach zehn Uhr abends unangemeldet mit einer Weinflasche bei ihm auf und sah aus wie... wie... Er versuchte, ihre silberfarbenen Stöckelschuhe zu ignorieren und ihre nackten Beine, ebenso den schwarzen Stretchrock, der mit knapper Not ihren Po bedeckte, sowie das rote Miederoberteil, das jeden Moment gesprengt zu werden drohte. Darüber aber ein junges, fröhliches, intelligentes Gesicht, lustige dunkle Locken, ein zutrauliches Lächeln. Es würde ihm nichts übrig bleiben, als sie hereinzubitten.
    »Na, dann kommen Sie mal«, sagte er.
    Sie trat ins Haus, und ehe Michael die Tür schloß, sah er noch, daß die Küchenvorhänge im gegenüberliegenden Haus sich bewegten. Gut, nun konnte die ganze Gegend über den eigenartigen Damenbesuch tratschen, den der Herr Staatsanwalt am späten Abend empfing.
    Er folgte Dana ins Wohnzimmer, schaltete den Fernseher ab und nahm zwei Weingläser aus dem Schrank. Dana entkorkte geschickt die Flasche.
    »So«, sagte sie, »auf Ihr Wohl!«
    Der Wein schmeckte wie Spülmittel, aber Dana schien ihn herrlich zu finden, denn sie machte ein geradezu verklärtes Gesicht. Sie thronte auf dem Sofa, ihr unmöglicher Rock war noch etwas höher gerutscht und gab den Blick auf den schwarzen Spitzenslip frei, den sie darunter trug. Michael räusperte sich und versuchte, ein neutrales Gesprächsthema zu finden.
    »Wie liefen denn Ihre Prüfungen?« erkundigte er sich. Dana nahm einen tiefen Schluck Wein. »Abi? Gut. Nicht so gut wie bei Tina. Sie ist einfach die Schlauere von uns beiden.«

    »Ja, Tina...«, sagte Michael nachdenklich und bekümmert, »wie es ihr jetzt wohl geht?«
    »Ich muß auch dauernd an sie denken«, gab Dana zu. Einen absurden Moment lang wirkten sie beide, der Staatsanwalt mit den grauen Haaren und das junge Mädchen in der aufreizenden Aufmachung, wie ein besorgtes Ehepaar, das sich die Nacht um die Ohren schlägt, weil es auf die Heimkehr der Tochter von deren Diskothekenbesuch wartet.
    »Ich sollte mir nicht so viele Gedanken machen«, meinte Michael und trank zaghaft noch etwas von dem Wein. Er würde mörderische Kopfschmerzen bekommen von dem Zeug.
    »Ich mache mir ja auch Gedanken«, sagte Dana, »dabei habe ich Tina immer ermutigt, sich endlich...« Sie biß sich auf die Lippen.
    »Ja?« fragte Michael.
    »Sich etwas mehr abzunabeln von Ihnen. Sie ist einfach zu... zu behütet, verstehen Sie?«
    Und du eindeutig zu wenig, dachte Michael. Er sagte jedoch nichts.
    »Aber«, fuhr Dana fort, »daß es nun ausgerechnet dieser Mario sein muß...«
    Michael sah sie aufmerksam an. »Sie mögen ihn nicht?«
    »Nicht besonders, nein.«
    »Was wissen Sie von ihm?«
    Dana zuckte die Schultern. »Er scheint aus einer guten Familie zu kommen - wie Sie das nennen würden.«
    »In den sogenannten guten Familien können die Dinge manchmal ganz besonders schiefliegen«, sagte Michael. »Leider kenne ich weder seinen Vater noch seine Mutter.«
    »Sie haben sich allerdings auch wirklich hartnäckig gesträubt, in irgendeine Art von Kontakt mit der Familie Beerbaum zu treten«, erinnerte Dana, »es war ja ein Wunder,
daß Sie schließlich überhaupt bereit waren, den armen Mario zu empfangen, und der Abend muß ein ziemliches Desaster gewesen sein.«
    »Sie sind ja bestens unterrichtet.«
    »Es gibt nichts, worüber Tina und ich nicht sprechen.«
    Michael nickte langsam. »Ja, verstehe. Sicher wissen Sie mehr von Tina als ich.«
    O ja, dachte Dana, darauf kannst du wetten!
    Laut sagte sie: »Wissen Sie, ich habe bei Mario einfach kein gutes Gefühl, Ich kann es nicht begründen, es ist einfach so. Meine Mutter meint, ich sei eifersüchtig. Das könnte bei Ihnen natürlich auch der Fall sein. Wir waren es beide immer gewohnt, Tina

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