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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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schmale,
blasse Linie, die sich die Höhen entlang zog, unterbrochen vom
Dunkel der kleinen Fichtenwälder. Zur Linken, hinter einem dieser
Gehölze, befand sich die Mauerbresche; sehen konnte er sie nicht,
aber er wußte, sie war da; er erinnerte sich der kleinsten, über
das Gestein verstreuten Dornranken. Noch am vergangenen Abend hätte
er nicht gewagt, den Blick zu dem Furcht einflößenden Horizont zu
erheben. In dieser Stunde vergaß er sich so weit, ungestraft nach
jedem Tuff Grün die Mauerlinie weiter zu verfolgen, die wie die
Kante eines Rockes war, der in jedem Dickicht sich verfing. Sein
Herz klopfte nicht einmal schneller. Die Versuchung floh seinen
matten Körper, als verschmähte sie sein saumseliges Blut. Er blieb
kampfunfähig, gnadenberaubt und brachte nicht einmal mehr die Lust
zur Sünde auf, war stumpfsinnig bereit, geschehen zu lassen, was er
am Tage zuvor noch leidenschaftlich von sich gewiesen hätte.
    Er ertappte sich bei einem lauten
Selbstgespräch. Da die Bresche immer noch klaffte, würde er Albine
bei Sonnenuntergang aufsuchen. Es überschlich ihn wie Kummer bei
diesem Entschluß. Doch schien ihm, als könne er nicht anders
handeln. Sein Weib war sie und wartete auf ihn. Wollte er sich ihr
Gesicht vergegenwärtigen, tauchte es nur blaß und fern auf. Auch
beunruhigte ihn das Wie ihres gemeinsamen Lebens. Schwerlich
konnten sie in der Gegend bleiben, sie müßten fliehen, ohne daß
jemand davon erführe; einmal in Sicherheit, benötigten sie sehr
viel Geld, um glücklich zu sein. Zwanzigmal machte er den Versuch,
einen Entführungsplan festzulegen und auszudenken, wie ihr Leben
als glückliches Liebespaar einzurichten sei. Es fiel ihm nichts
ein. Jetzt, wo die Begierde ihn nicht mehr verwirrte, schreckte ihn
die sachliche Seite der Lage, zwang seinen ungeschickten Händen
eine schwierige Arbeit auf, zu deren Lösung ihm innerlich die
allerersten Vorbedingungen fehlten. Woher würden sie Pferde zur
Flucht bekommen? Wenn sie sich zu Fuß aufmachten, würde man sie
nicht wie Landstreicher verhaften? Würde er überhaupt fähig sein,
irgendeinen Beruf auszuüben, irgendeine Beschäftigung entdecken,
die seiner Frau den Lebensunterhalt verschaffte? Diese Dinge waren
ihm nicht beigebracht worden. Vom Leben wußte er nichts. Wenn er
sein Gedächtnis durchstöberte fand er nur Bruchstücke von Gebeten,
Einzelheiten kirchlicher Gebräuche, Sätze aus der theologischen
Unterweisung; von Bouvier, die er ehemals im Seminar auswendig
gelernt hatte. Selbst Nebensächlichkeiten setzten ihn in
Verlegenheit. Er fragte sich, ob er es je wagen würde, seiner Frau
auf der Straße den Arm zu geben, sicherlich würde er mit einer Frau am Arm nicht ordentlich gehen
können. So linkisch würde er sich ausnehmen, daß die Leute auf der
Straße stehenblieben, um ihnen nachzusehen. Man würde ihm den
Priester anmerken und Albine beschimpfen. Vergeblich würde er
versuchen, sich des Priestertums zu entledigen, immer würde ihm
trübe Blässe und der Weihrauchduft anhaften. Und wenn ihm eines
Tages Kinder geboren würden? Bei diesem unerwarteten Gedanken
erbebte er und empfand einen seltsamen Widerwillen. Es schien ihm
unmöglich, sie jemals lieben zu können. Zwei würden es sein, ein
kleiner Junge und ein kleines Mädchen. Er vertrieb sie von seinen
Knien und konnte ihre Liebkosungen nicht ertragen, und die Freude
anderer Väter an ihren Spielen wäre ihm fremd. An dies Fleisch von
seinem Fleisch sich zu gewöhnen, würde ihm unmöglich sein, immer
würde es ihm überfeuchtet scheinen von seiner Mannesunlauterkeit.
Zumal das kleine Mädchen beunruhigte ihn mit ihren großen Augen,
auf deren Grund schon Frauenzärtlichkeit erglomm. Nein, keine
Kinder wollte er haben, das Grauen wollte er sich ersparen, das der
Gedanke auslösen müßte, seine Leiblichkeit immer wieder neu
aufwachsen und neu aufleben zu sehen. Süß war ihm die Hoffnung,
zeugungsunfähig zu sein. Gewiß hatte sich seine Manneskraft in der
langen Junggesellenzeit verloren. Diese Erwägung brachte ihn zum
Entschluß. Schon am Abend wollte er mit Albine fliehen.
    Am Abend jedoch fühlte sich der Abbé Mouret zu müde. Er verschob
seine Flucht auf den nächsten Tag. Am nächsten Tag fand er einen
neuen Vorwand: er konnte seine Schwester doch nicht allein lassen
mit der Teusin; einen Brief wollte er
schreiben, der die Weisung enthielte, sie zum Onkel Pascal zu
bringen. Drei Tage lang konnte er sich nicht zum Schreiben dieses
Briefes entschließen; das

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