Die Sünde
Wirklichkeit.
Robert Pfaff war außer sich. Der Zeitungsredakteur protestierte aufs Heftigste gegen die Durchsuchung seiner Wohnung und seines Büros. Als man ihm die Festnahme erklärte, wurde er kreidebleich. Nachdem er sich wieder einigermaßen gefasst hatte, kündigte er eine sofortige Beschwerde beim obersten Gericht an.
Haider hingegen reagierte auffallend gelassen. Noch in seiner Wohnung erklärte er, dass er mit den Verstümmelungen und dem Mord nichts zu tun habe und nur seiner Berichtspflicht als Journalist nachgekommen sei. Die Texte habe er in Kurzform von einer unbekannten Person per SMS erhalten, nachdem ihm unbemerkt ein Handy zugespielt worden sei. Das fragliche Handy übergab er sofort einem Beamten. Ebenso sein eigenes iPhone, das er in der Hosentasche trug.
Bei dieser Aussage blieb Haider auch, als er Nawrod in dem Vernehmungszimmer gegenübersaß.
»Das können Sie erzählen, wem Sie wollen«, herrschte ihn Nawrod an.
»Tut mir leid, Herr Kommissar«, antwortete Haider cool. »Es ist die Wahrheit. Ich war ja auch geschockt, als ich die erste Nachricht bekam. Zuerst dachte ich, jemand hätte mir im Lokal aus Versehen das Handy in die Tasche gesteckt. Kurz darauf bekam ich dann aber die SMS mit dem Hinweis auf den abgeschnittenen Zeigefinger. Ich glaubte meinen Augen nicht zu trauen und dachte an einen Scherz. Doch es ließ mir keine Ruhe. Um mich zu vergewissern, rief ich meinen Informanten aus dem Polizeipräsidium an. Der bestätigte mir den Sachverhalt.«
»Wer ist der Informant, und wann war das genau?« Nawrod kochte innerlich vor Wut, aber er versuchte sich nichts anmerken zu lassen.
»Meine Informanten gebe ich grundsätzlich nicht preis. Das verstehen Sie doch, oder? Wann die erste SMS bei mir einging, können Sie auf dem Speicher des Handys sehen, das ich Ihrem Kollegen gegeben habe. Ich habe keine SMS gelöscht. Den Informanten im Präsidium habe ich allerdings aus einer Telefonzelle angerufen. Das ist Bestandteil der Abmachung mit ihm. Sie können also den fraglichen Anruf nicht zurückverfolgen.«
Nawrods Kiefermuskulatur mahlte. Sein Brustkorb hob und senkte sich, bevor er drohend hervorstieß: »Haider, Sie hängen ganz tief in der Scheiße! Ist Ihnen das bewusst?«
»Ich wiederhole noch einmal, ich habe mit diesen furchtbaren Verbrechen nichts zu tun.« Haider lehnte sich lässig in den Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Natürlich habe ich mir auch Gedanken darüber gemacht, wie ich diese Bluttaten hätte verhindern können. Aber sagen Sie selbst, wie hätte ich das fertigbringen sollen? Immer, wenn die SMS -Nachrichten bei mir ankamen, war das Verbrechen doch schon geschehen. Ich hatte nur noch die Möglichkeit«, er runzelte die Stirn, »nein, die Pflicht, darüber zu berichten, und das habe ich getan, indem ich der Heidelberger Allgemeinen die Story exklusiv verkaufte. Robert Pfaff hat natürlich gleich zugegriffen. Das können Sie alles auf meinem Rechner nachvollziehen. Die E-Mails zwischen ihm und mir befinden sich allesamt noch auf dem Server meines Providers.«
Haider zuckte zusammen, als Nawrod mit der Faust so fest auf den Tisch schlug, dass der kleine Ständer des Mikrofons hochhüpfte und umkippte. »Sie selbst haben sowohl Ihre Mutter als auch Ihre Schwester dazu benutzt, die Pakete mit den abgetrennten Körperteilen bei der Post aufzugeben. Gestehen Sie endlich, und nennen Sie mir den Namen des Mörders, wenn Sie es nicht selbst waren!«
Haider sah Nawrod mit großen Augen an und begann zu stottern: »Das mit meiner Mutter und meiner Schwester … das … das hat mich selbst umgehauen. Als ich die Phantombilder in den Zeitungen sah, habe ich natürlich gleich die Ähnlichkeit mit den beiden erkannt. Aber ich wusste ja, dass sie nichts mit der Sache zu tun haben konnten. Ich rief sie sofort an und sagte ihnen, sie sollten sich einfach ruhig verhalten, bis der Fall geklärt oder Gras über die Sache gewachsen sein würde. Elvira war es hochpeinlich. Sie wurde an ihrer Arbeitsstelle von mehreren Mitarbeitern angesprochen und traute sich dann nicht mehr aus dem Haus.«
»Ihre Mutter erlitt bei der Verhaftung einen Herzanfall und musste in die Klinik gebracht werden. Sehen Sie nicht, was Sie angerichtet haben? Das haben Sie und sonst keiner zu verantworten!« Nawrod versuchte mit dieser Nachricht, Haider in die Ecke zu drängen. Er studierte jede Regung seines Gegenübers. Ihm entging nicht, dass der Journalist plötzlich seine Coolness
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