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Die Sünde

Die Sünde

Titel: Die Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Toni Feller
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der geschmackvoll im mediterranen Stil eingerichteten Sauna vertraut. Danach duschte er und nahm auf einer Liege Platz, von wo er den Eingang im Auge hatte.
    »Hallo, na wie geht’s so?«, flötete eine Stimme von rechts. Er ließ sich auf nichts ein und drehte dem jungen Mann wortlos den Rücken zu.
    »Wer wird denn so schinant sein«, säuselte die Stimme weiter.
    »Verpiss dich!«, antwortete er in drohendem Unterton.
    »Mein Gott, man wird doch wohl noch fragen dürfen«, entgegnete der andere beleidigt und watschelte, nackt, wie Gott ihn schuf, mit seinen viel zu großen Badeschuhen davon.
    Das hat mir gerade noch gefehlt, dachte er. Der ist ja so was von scharf auf mich. Bestimmt würde er sich an mich erinnern, wenn er später von den Bullen gefragt würde. Er nahm sein über dem Unterkörper querliegendes Saunatuch und breitete es der Länge nach über sich aus. Das, so hoffte er, dürfte Signal genug sein, dass er kein Interesse an irgendwelchen Kontakten hatte. Keine drei Meter von ihm entfernt lag eine Frau im weißen Bademantel, die ihn amüsiert beobachtete. Als sich zufällig ihre Blicke kreuzten, lächelte sie ihm diskret zu. Er lächelte kühl zurück. So, dachte er, würde er der Frau keinerlei Hoffnungen machen. Nur nicht auffallen.
    Endlich kam Radecke durch die Tür. Er hatte ein rotes Handtuch um seine Hüfte gebunden. Zusammen mit einem Kulturbeutel trug er noch ein blaues in der Hand. Zielstrebig ging er auf die Duschkabinen zu, legte seine Handtücher auf ein Regal, das sich unmittelbar rechts vor dem Eingang zu den Duschen befand, entnahm aus seinem Waschbeutel ein Duschgel und betrat anschließend den Hygienebereich.
    Der junge Mann mit den langen, blonden Haaren erhob sich von der Liege. Auf dem kurzen Weg zu den Duschen hielt er das Handtuch vor seinen Schambereich. Die Frau im weißen Badenmantel schaute ihm hinterher. Bedauern machte sich auf ihrem Gesicht breit.
    Radecke sah ihn sofort. Der junge Mann stellte sich direkt gegenüber von ihm unter eine Dusche. Radecke den Rücken zugewandt, ließ er beim Einseifen sein Duschgel auf den Boden fallen. Als er sich lässig danach bückte, wusste er, dass er damit den Fisch schon an der Angel hatte, bevor dieser überhaupt das Metall des Hakens an den mit Speichel angefeuchteten Lippen spürte.
    Radecke stockte beim Anblick des traumhaft gebauten Mannes der Atem. Er musste sich beherrschen, nicht sofort eine Erektion zu bekommen. Sollte das Bücken ein Signal sein? Unmöglich! So ein Bild von einem Mann würde sich doch nie und nimmer für ihn, einen älteren Herrn mit kräftigem Bauchansatz und Halbglatze, interessieren. Sicher war ihm das Duschgel zufällig heruntergefallen. Andererseits … das Bücken …? Radecke hatte genügend Erfahrungen mit Schwulen, um zu wissen, dass die Art, wie sich der junge Mann bückte, eindeutig darauf schließen ließ, dass er schwul war. Von hinten war sein Köper atemberaubend makellos. Und diese blonden Haare! Wie würden die sich anfühlen?
    Während er sich nun zum zweiten Mal einseifte, ließ er sein Gegenüber keine Sekunde aus den Augen. Sie waren allein im Duschraum. Radecke merkte, dass er seine Erregung nicht mehr zügeln konnte. Er ließ seinen Gefühlen freien Lauf. Wenn jetzt jemand reinkäme, würde er sich schnell gegen die Wand drehen und eiskaltes Wasser über seinen Körper laufen lassen. Das würde sicher Abhilfe schaffen.
    Er war Lockvogel und wusste genau, was zu tun war. Während er das Gel mit einem kräftigen Brausestrahl abspülte, drehte er sich langsam um die eigene Achse. Nur kurz streifte sein Blick das erstaunte Gesicht Radeckes und dessen halb erigiertes Geschlechtsteil. Obwohl es ihm zuwider war, lächelte er Radecke vielsagend an. Dann wandte er ihm auch schon wieder den Rücken zu, denn er konnte den Anblick des Muttermals über dem Schambein des anderen keine Sekunde länger ertragen. Es rief abgrundtiefen Ekel in ihm hervor.
    14
    Heidelberg
    28.   November 1992
    »Der Herr Pfarrer sagt, dass du sein bester Ministrant bist. Das macht die Mama sehr, sehr stolz.«
    »Mama, was ist stolz?«
    »Ich freue mich halt sehr, wenn der Herr Pfarrer das sagt.«
    »Hat … hat der Herr Pfarrer sonst noch etwas gesagt?«, fragt er leise und schaut betreten zu Boden. Sein kleines Herz schlägt ihm bis zum Hals. Es wird ihm übel. Wenn er jetzt nur nicht wieder diese schlimme Atemnot bekommt!
    »Hochwürden hat gesagt, er würde sich gerne um dich kümmern, weil du keinen Vater hast.

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