Die Sünden des Highlanders
gegangen war. Ärger zeigte sich und eine Wut, die so heftig war, dass Morainn zu zittern begann. Ein Messer blitzte auf, stach zu, stach abermals zu, und zwar völlig unkontrolliert. Es war keine kalte Präzision zu erkennen. Die riesige, dunkle Gestalt, die auf der einen Seite des Opfers kniete, griff nach dem Messer. Ein wütender Schrei bahnte sich seinen Weg durch Morainns Kopf. Der dadurch verursachte Schmerz wurde heftiger, als gehässige Worte sich in ihren Verstand hämmerten und sie darum kämpfte, sie festzuhalten, für den Fall, dass sie von Bedeutung wären.
»Sie müssen alle büßen!«
»Das werden sie, M’lady. Das werden sie alle.«
Und auf einmal sah die Frau, das Gewand besudelt mit dem Blut ihres Opfers, Morainn direkt an.
»Und du, Hexe, wirst das Schlimmste erdulden!«
Morainn war so entsetzt, dass sie die Haarnadel von sich schleuderte. Sie zitterte am ganzen Leib vor Angst. Die Mörderin hatte zu ihr gesprochen, sie hatte sie direkt angesehen! Zuvor hatte sie geflüsterte Worte vernommen, aber so etwas war noch nie vorgekommen. Es hatte unheimlich persönlich gewirkt, ganz so, als wüsste die Frau, dass sie da war.
Sie nahm einen tiefen Schluck Apfelmost, um sich zu beruhigen und ihre wirren Gedanken ein wenig zu ordnen. Um die Schwäche, die ihren Körper befallen hatte, wollte sie sich später kümmern. Solange sie die Vision noch so deutlich vor Augen hatte, galt es, nach den Antworten zu suchen, die Simon brauchte, um das mörderische Paar zu finden.
»Habt Ihr diese Nadel gefunden, bevor Ihr mich getroffen habt oder danach?«, fragte sie als Erstes.
»Zuvor«, erwidert er. »Seit wir Euch getroffen haben, ist keine Frau mehr umgebracht worden, es gab nur noch den Angriff auf Euch.«
»Das stimmt nicht ganz«, gab Tormand zu bedenken. »Wir haben Morainn erst nach dem letzten Mord um Hilfe gebeten, aber wir haben sie zuvor getroffen, bei den Redmonds. Und sie haben uns beobachtet, richtig?«
Tormand wusste, dass Morainn ihm noch immer zürnte. Umso mehr freute es ihn, dass sie ihn nicht schroff abgewiesen hatte. Er konnte zwar wenig tun, um ihr während einer Vision zu helfen oder sie zu beschützen, aber immerhin konnte er den Schmerz und die Angst, die danach kamen, ein wenig lindern. Morainn war blass und zitterte, aber diesmal war sie nicht zusammengebrochen und hatte sich auch nicht übergeben. Allerdings wollte Tormand auch nicht, dass sie sich abhärtete gegen das, was sie in ihren Visionen zu sehen bekam. Allein deshalb hätte er am liebsten mit dem Ganzen aufgehört. Doch ihm war klar, dass er sie nicht daran hindern durfte weiterzumachen. Sie musste ihre Gabe nutzen, um ihnen zu helfen, die Mörder zu finden. Sachte rieb er ihre verspannten Schultern.
»Und diese Nadel stammt von dem Ort, an dem die letzte der Frauen ermordet wurde?«, fragte Morainn.
»Richtig«, erwiderte Simon und warf Tormand einen warnenden Blick zu. »Dort kam Lady Marie Campbell ums Leben.«
Morainn hörte Tormand leise fluchen. Hatte er diese Frau aufrichtig gern gehabt? Rasch schüttelte sie die heftige Eifersucht ab, die dieser Gedanke in ihr aufkeimen ließ. Die Frau war grausam ermordet worden, weil eine Verrückte unter einem Eifersuchtswahn litt. Morainn wollte nicht, dass das Ableben der Ärmsten mit noch mehr schlechten Gefühlen belastet wurde. Es war ihre Pflicht, die Ungeheuer zu finden, die diese Morde begingen; ein Urteil über die armen Opfer stand ihr nicht zu. Wenn sie daran dachte, wie leicht Tormand sie beinahe verführt hatte, zweifelte sie, dass all die Frauen, mit denen er geschlafen hatte, richtige Sünderinnen gewesen waren. Die meisten waren bestimmt nur schwach gewesen, genau wie sie.
»Dann hatten die Mörder mich bereits gesehen, wie wir jetzt wissen. Sie haben mitbekommen, wie Sir Tormand mich vor der Menge verteidigt hat, und mich zu ihrem nächsten Opfer erkoren. Das wäre eine Erklärung für das, was ich gesehen habe.« Morainn erbebte bei dem Gedanken an die Drohung, die ihr die Frau mit ihrer eisigen Stimme in ihrer Vision zugeflüstert hatte.
»Was habt Ihr denn gesehen?«
»Die Vision begann wie die erste«, erwiderte sie. »Sie setzte ein mit einer Welle düsterer Gefühle: Schmerz, Angst, Hass, Wahnsinn und erschreckende, böse Lust. Ich glaube, die Lust ist das Schlimmste. Sie genießen ihr Tun.«
»Jesus«, murmelte Harcourt. »Das sind wirklich Ungeheuer.«
»Aye, so würde ich sie auch nennen.« Morainn seufzte. »Der Schmerz und die Angst
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