Die Suendenburg
Verfügung stellen, damit die Erträge erhöhen, die Versorgung verbessern und letztlich sogar unsere eigenen Einnahmen aufbessern, die wir dann wieder in die Verbesserung von etwas anderem fließen lassen könnten.«
»Weißt du denn, wie man so etwas macht, einen Sumpf trockenlegen?«
»Ich habe vor einigen Jahren eine Zusammenfassung über die Trockenlegung der Pontinischen Sümpfe durch die Römer gelesen. Wir brauchen einen guten Plan, der benötigt etwas Zeit. Aber im nächsten Jahr können wir dem Sumpf den Garaus machen.«
Ich hätte ihm tage- und nächtelang zuhören können. Sein Feuereifer im Dienst eines zutiefst uneigennützigen Anliegens machte diesen Mann mir, zu dessen äußerer Erscheinung ich mich ohnehin hingezogen fühlte, unwiderstehlich. Und ich spürte in jedem einzelnen Augenblick unseres Zusammenseins, dass es sich umgekehrt genauso verhielt. Ich, die ich ihn zutiefst verstand, war in jeder Hinsicht seine Erfüllung. Einen solchen Gleichklang zwischen zwei Menschen gibt es nicht oft.
Da erst, an diesem Nachmittag, beschloss ich, ihn in mein größtes Geheimnis einzuweihen.
Ich erinnere mich noch an jede Einzelheit jenes Tages vor sieben Jahren. Ich weiß, was ich aß, trank, trug und dass die Sonne kaum gegen die Kälte des Märzmorgens ankam. Ich weiß, an welcher Stelle im Burghof das Pferd stand, auf das mein Sohn aufsaß. Ich höre ihn noch rufen: bis heute Abend, Mutter. Ich spüre Agapets Blick auf mir, der mir befiehlt, ihm nicht nachzuwinken. Ich sehe meinen Sohn in Begleitung zweier Waffenträger aus dem Burgtor reiten, und ich erlebe noch einmal die Zweifel, ob mein Entschluss richtig war.
Einige Tage zuvor hatte ich versucht, Agapet von seinem Vorhaben unseren Sohn betreffend abzubringen.
»Es ist unvermeidlich«, sagte er, »dass mein Sohn das Kriegshandwerk lernt.«
»Er ist zwölf Jahre alt, Agapet.«
»Und mit dreizehn wird er mich auf den Feldzug begleiten.«
»Dafür ist er viel zu jung.«
»Ich war auch dreizehn, als mein Vater mich ausbilden ließ. Leider gab es damals keinen Krieg, in dem ich mich hätte bewähren können. Ich musste warten, bis ich neunzehn Jahre alt war.«
»Orendel ist anders als du.«
»Ich will nicht, dass du so etwas sagst. Und ich will nicht, dass du ihn Orendel nennst. Das weißt du sehr gut. Mein Sohn heißt Agapet. Er trägt meinen Namen.«
»Die ganze Burg nennt ihn Orendel. Er hat sich diesen Namen selbst gegeben.«
»Siehst du, aus genau diesem Grund soll er ab jetzt an den Waffen ausgebildet werden. Alle diese Verrücktheiten müssen ihm ausgetrieben werden: das Dichten, das Schreiben, das Singen, das Erfinden … Orendel, das ist der Name für einen Barden, aber nicht für einen Krieger.«
»Er will nun einmal kein Krieger sein. Er ist nicht dafür geboren.«
»Da er mein Sohn ist, muss er dafür geboren sein. Und für die Verrücktheiten bist du verantwortlich. Ich habe dir zu lange erlaubt, seine Erziehung zu übernehmen. Man sieht, wohin das geführt hat. Er ist verweichlicht.«
»Das ist nicht wahr. Er hilft dem Schmied oft stundenlang bei dessen schweißtreibender Arbeit, das macht ihm in seinem Alter keiner nach. Er ist sehr geschickt mit Hammer und Amboss.«
»Ja, und was fertigt er? Bronzene Modelle für Paläste, Burgen, Kirchen und so weiter. Beim Zimmermann hat er sich eine Leier gefertigt. Wofür soll das gut sein?«
»Darin drückt sich seine Neigung für schöpferische …«
»Wenn er, verdammt noch mal, schon schmiedet und schnitzt, dann soll er wenigstens Schwerter schmieden und Pfeile schnitzen, mit denen er seine Feinde niederstreckt.«
»Er will keine Feinde haben. Er will nicht in den Krieg.«
»Wo kämen wir hin, wenn wir uns danach richteten, was Kinder wollen? Was wäre das für eine Welt?«
Ich hatte diese Belehrungen nicht nötig. Auch mir war bekannt, dass das Leben uns oft etwas aufgibt, in das wir uns mehr oder weniger fügen müssen. Ich hatte meinen Gemahl vor meiner Hochzeit kaum gekannt und war ihm von Anfang an nicht zugetan, weshalb ich mich zunächst weigerte, ihn zu ehelichen. Aber ich hatte letztendlich akzeptiert, dass diese Ehe notwendig war, um Frieden zu schaffen. Auch war es meine Bestimmung als Frau, meinem Gemahl Kinder zu gebären. Etwas völlig anderes war es, Orendel in den Krieg zu schicken. Kriege sind der Schrecken aller Mütter, aber in Orendels Fall ein doppelter Schrecken, denn er sollte entgegen seiner Natur geformt werden. Einer wie Agapet wäre eher des Weins und
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