Die Suendenburg
mir Freude, weil es ihr Freude machte. Was mich anging, so mischte sich ein gehöriger Schuss Bitternis in den süßen Erfolg. Denn während ich in der muffigen Kammer mit Elicia den Mordfall erörterte, wurde mir übel beim Gedanken an das näher rückende Ende meiner Ermittlung. (Vielleicht habe ich auch deshalb wochenlang keine Hand im Mordfall gerührt, weil ich nicht will, dass diese Untersuchung jemals endet. Da wäre ich wieder bei der verborgenen Kraft, die uns stärker beeinflusst, als wir ahnen.) Jeder Schritt, den ich vorwärts machte, war ein Schritt auf das Finale hin, das ich inzwischen fürchtete wie nichts anderes, bedeutete es doch die Trennung von Elicia. Und noch etwas anderes kam in diese Gefühlsbrühe hinzu, etwas weit Schlimmeres als Bitternis, ja, ich möchte es Gift nennen. Böse Gedanken, die mir unweigerlich in den Sinn kamen und sich damit beschäftigten, welches Urteil mir und Elicia am meisten nutzen würde.
Es schmerzt, das zu schreiben, aber Baldur stand mir im Weg, und es war mir unmöglich, nicht in Gedanken durchzuspielen, was geschehen würde, wenn Baldur Graf Agapet getötet hätte – ich spreche nicht davon, ihn falsch zu beschuldigen. Doch immerhin wäre es möglich. Elicia wäre frei. Andererseits, wenn man Baldur als Mörder hinrichten würde, bliebe mir nur übrig, Aistulf als Graf zu empfehlen, und das wäre für Elicia ein schwerer Schlag. Würde sie an der Seite eines Vikars glücklich werden? Ertrüge sie es, dass der verhasste Stiefvater über die Burg, an der sie so hängt, herrschte? Und fiele auf mich nicht der Ruch, den Gatten verurteilt zu haben, um die Witwe zu kriegen?
Doch was, wenn ich Elicia die ersehnte Rache verschaffte, Aistulf dem Henker und Baldur die Burg übergeben würde? Dann wäre Elicia einen Monat lang zufrieden und ein Leben lang vergrämt, denn mit der Rache ist es wie mit den meisten Ehen: Ist sie erst einmal vollzogen, hat man das Schönste schon hinter sich. Auf Rache baut sich ein Leben nur so lange auf, wie die Vorfreude es trägt. Was danach kommt, ist morsch und brüchig. Kann Elicia sich ein Leben ohne Liebe überhaupt noch vorstellen? Kann sich irgendjemand, der geliebt hat, ein Leben ohne Liebe noch vorstellen?
Wer also nutzt mir und Elicia mehr? Graf Baldur oder Graf Aistulf? Gräfin Claire oder Gräfin Elicia? Konnte ich überhaupt gewinnen? Würde Elicia nicht in jedem Fall etwas verlieren?
Diese Fragen irrlichterten durch meinen Kopf, ich konnte mich ihnen nur entziehen, indem ich alle Disziplin aufbot, die ich mir in Jahren zugelegt hatte. Zumindest zeitweise war es mir gelungen, mich zur Ordnung zu rufen und die Wahrheitsfindung allein meinem Verstand und Gott dem Herrn zu unterstellen. Doch als wollte mir jemand einen anderen Plan aufdrängen, als lachte sich jemand halb tot über meine Bemühungen, ein zumindest halbwegs gewissenhafter Mensch zu sein, hörte ich Elicia sagen: »Ich erwarte ein Kind, Malvin. Es ist unseres.«
Ich las in dem Augenblick, als Elicia das sagte, noch einmal den siebten und letzten Brief (der sich übrigens als Fragment herausstellte, verfasst in einer anderen Handschrift als die übrigen Briefe, in dem zudem mehrere Wörter gestrichen waren und der demzufolge als misslungener Antwortbrief zu werten ist). Obwohl ich mit der Fähigkeit ausgestattet bin, mehrere Dinge gleichzeitig erledigen und aufnehmen zu können, brauchte es eine Weile, bis Elicias Worte von meinem Ohr in meinen Verstand eingesickert waren.
Zu beschreiben versuchen, was in diesem Augenblick, da die Worte mich erreicht hatten, mit mir geschah, ist ein hoffnungsloses Unterfangen. Nur so viel: Es war, als prallten das größte Glück und der größte Schmerz auf Erden mit aller Wucht aufeinander.
Ich freute mich. Ich lächelte. Ich nahm Elicia in die Arme. Ich küsste sie. Ich berührte ihren Bauch. Ich streichelte ihr Haar. Ich buchstabierte das gesamte Alphabet der glückseligen Vaterschaft, und zwar aus voller Überzeugung.
Zugleich wusste ich, dass kein Ort sinnfälliger für die Verkündung einer solchen Nachricht war als jenes Geheimgemach im Innersten einer Feste.
Das Kind, von dem Elicia sprach, das sie als unser Kind bezeichnete, wird im Licht des Tages niemals das meine sein. So Gott will.
Kara
Ich wurde zu Elicia gebracht. Sie sagte lächelnd: Du bist frei, ich habe mit Malvin gesprochen, dem Mann, der in diesen Tagen das Recht auf unserer Burg spricht, und ich habe ihn davon überzeugt, dass du dich frei in der
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