Die Suendenburg
meinst du damit?«
»Du musst ihn töten.«
»Oh, das werde ich. Ich schlage ihm noch heute ins Gesicht, dann bleibt ihm nichts anderes übrig, als es mit mir auszufechten.«
»Das sehe ich anders. Er wird nicht darauf eingehen.«
»Das wäre feige.«
»Na und? Du hast ihn doch eben selbst einen Feigling genannt. Feiglinge sind nun einmal feige. Er ist kein Krieger, er kann nicht halb so gut kämpfen wie du und würde verlieren. Stattdessen wird er uns aus der Burg werfen lassen.«
»Das soll er mal versuchen.«
»Stell dich darauf ein, dass er es nicht nur versuchen wird.«
»Was schlägst du denn vor?«
»Was er kann, kannst du schon lange.«
»Du meinst … Das kann nicht dein Ernst sein.«
»Ich trage ein Kind in mir, und ich will, dass es lebt, Baldur. Wenn das der Weg dazu ist …«
»Ich bringe niemanden heimtückisch um, sondern ich sehe jedem ins Gesicht, wenn ich es tue.«
»Dann sieh ihm meinetwegen ins Gesicht, während du ihm die Klinge ins Herz stößt.«
»Es geht nicht um Ins-Gesicht-Sehen, es geht darum, dass es im Licht der Öffentlichkeit passiert, in einem ehrlichen Zweikampf.«
»So ein Mumpitz. Einem vom Schwert Getroffenen ist es völlig gleichgültig, ob er im Stillen oder im Licht der Öffentlichkeit ums Leben gebracht wurde.«
»So kann nur ein Weib schwätzen.«
»So kann nur ein Hornochse schwätzen.«
Claire
Ist eine Mutter je schwerer geprüft worden als ich? Drei Kinder so nah und doch unerreichbar. Orendel – ein Stern im Tal, und ich bin dieser Tage zu schwach und zu krank, um etwas daran zu ändern. Das Ungeborene – ich habe irgendwie die Verbindung zu ihm verloren. Ich meine damit, es ist noch da, Gott sei Dank, aber es kommt mir vor, als wäre es weit weg, und ich weiß nicht, warum. Es gibt keinen Grund, mir fällt keiner ein. Meine Zuversicht schwindet. Bilhildis findet, ich bin wegen Orendel überreizt, und Aistulf hat sich ihrer Meinung angeschlossen, aber ich fühle, dass das nicht stimmt. Ich weiß nur, dass alles kopfsteht, verschwommen ist. Ich meine, durch einen Nebel zu gehen. Die Dinge um mich herum nehmen ihren Lauf, ohne dass ich sie beeinflussen kann. Ich bin zeitweise zu schwach, zu durcheinander, um zwei klare Gedanken aneinanderzureihen. Seit einer Stunde mindestens sitze ich an diesen wenigen Zeilen, und ich habe Angst, sie nicht beenden zu können, einfach deswegen, weil es mir unmöglich ist, genau das auszudrücken, was ich denke und fühle, und zugleich habe ich Angst, ihn zu verlassen, weil er mein einziger Halt ist, er und der Schlaf. Heute Morgen: Ich führte ein Gespräch, und plötzlich riss der Faden, ich verlor die Aufmerksamkeit, die Worte glitten ab, ich wurde ärgerlich, ich schrie Bilhildis an, das weiß ich noch, danach wollte ich nur noch schlafen. Ich schlafe für das in mir entstehende Kind, für sein Leben. Ich sage mir: Wenn du schläfst, Claire, kannst du diesem zarten Wesen nichts antun, denn die Krankheit schläft mit dir. Und ich schreibe, damit diese Tage eine Wirklichkeit bekommen, die überlebt.
Ist das ein wirrer Gedanke? Versteht jemand, was ich sagen will? Verstehe ich selbst, was ich sagen will?
Jetzt wollte ich noch …
Es ging mir um …
Elicia – sie ist inzwischen ebenso unerreichbar für mich. Sie liebt mich nicht mehr. Was bleibt einer Mutter von einer Tochter ohne Liebe? Nur die Gegnerin.
Sie hat selbst Schuld. Mir kann sie das nicht auflasten. Sie verlangt alles und gibt nichts. Wie viel hat sie für die Versöhnung getan? Das passt auf eine Nadelspitze – während meine ausgestreckte Hand schon blutig ist von den Schlägen, die sie und ihr dummer Gatte austeilen. Aus dem Fest an Heiligabend hat sie ein bizarres Schauspiel gemacht. Es hätte so schön werden können. Ich wollte bloß meine Ruhe haben, die Messe hören, das Schwein essen, mich an den fröhlichen Gesichtern des Gesindes erfreuen, mich am wiedergeborenen Heiland erfreuen, mich an Elicia – ja, an Elicia – erfreuen. Aber sie, sie hat alles ruiniert. Den Tag, das Fest, die Fröhlichkeit, alles.
Wie war das noch? Sie brachte die Ungarin mit zur Tafel und setzte sie an ihre Seite. Das störte mich nicht im Geringsten, aber Aistulf fand es unangemessen, dass eine des Mordes verdächtige Frau, eine Heidin zudem, mit uns Weihnachten feierte und, mehr noch, nicht beim Gesinde, sondern an unserem Tisch saß. Elicia konterte, dass sie diese Frau als Amme und Freundin erwähle, und so wurden die ersten Klingen gekreuzt.
Die Ungarin und
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