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Die Suendenburg

Die Suendenburg

Titel: Die Suendenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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Stelle im Wald, umgeben von größter Stille und Einsamkeit. Die Schneedecke wellte sich zwischen den kahlen Bäumen, und Baldur und ich schienen die einzigen Lebewesen auf Erden zu sein. Doch Baldur bevölkerte die Einsamkeit rasch mit Geistern, nämlich seinen Sorgen.
    »Das hat mir gutgetan«, sagte er und klang dabei verletzlich. Ich war überrascht – bei einem Mann, zumal bei einem Bär von einem Mann scheut man sich, ein solches Wort zu benutzen –, wie zart seine Stimme sein konnte. Als schämte er sich dafür, wandte er mir den Rücken zu und blickte in das Gewirr der Baumstämme.
    »Elicia lacht nie mit mir. Gar nichts macht sie mit mir, außer streiten und gelegentlich … Uns verbindet nicht viel. Na und, könnte man sagen. Meine Eltern hat auch nicht viel verbunden, und bei meinen Schwestern und Brüdern ist ’ s nicht anders. Das ist hierzulande so üblich. Wie ’ s bei euch ist, weiß ich nicht, aber bei uns wird geheiratet, mit wem ’ s gerade so passt. Bei den meisten Eheleuten macht die Gewohnheit alles erträglich, nur bei Elicia und mir, da gibt ’ s keine Gewohnheit. Sie lässt mich jeden Tag spüren, dass sie mich verachtet.«
    Er warf mir einen kurzen Blick über die Schulter zu, sich vergewissernd, dass ich zuhörte. Ich vermute, gerade die Tatsache, dass er glaubte, ich verstehe nichts oder wenig, ließ ihn mit so großer Offenheit sprechen. Im Grunde führte er ein Selbstgespräch, das sich zum Eingeständnis eigener Unzulänglichkeit entwickelte.
    »Ja, das tut sie, mich verachten, auf mich herabsehen. Warum? Weil ich angeblich nicht an ihren Vater heranreiche, den großen Agapet. Groß, dass ich nicht lache! Er war ein zäher Bursche, das gewiss, aber als Feldherr hat er nicht viel getaugt. Seine Erfolge bei den Scharmützeln, die habe ich ihm erkämpft. Ich war gerade achtzehn Jahre alt, da habe ich ihm eine Fehde gewonnen, die er mit einer benachbarten Grafschaft hatte. Mit vierzig Männern habe ich neunzig bezwungen, und hinterher tat er so, als sei die Finte, die uns den Sieg brachte, auf seinem Mist gewachsen. Als ich neunzehn war, bewahrte ich ihn vor einer Bloßstellung, als alle vier Männer, die er in ein Turnier schickte, scheiterten, bis ich kam und die Ehre seines Hauses verteidigte. Mit zwanzig stellte ich ihm eine Truppe auf, die sogar vom Herzog bewundert wurde, mit einundzwanzig bezwang ich eine Schar Ungarn in der Steiermark, mit zweiundzwanzig wehrte ich eine ungarische Belagerung der Burg ab, indem es mir gelang, das Heer, das in der Überzahl war, nach Süden abzudrängen. Mit dreiundzwanzig … Und so weiter. Das nahm er alles für sich in Anspruch. Gelegentlich erhielt ich ein gönnerhaftes Schultertätscheln, wie man es einem gelehrigen Schüler schenkt. Das war keine Anerkennung meiner Leistung, sondern eine Selbstbeglückwünschung seiner Leistung als Lehrer.«
    Baldur atmete tief durch. Noch immer wandte er mir den Rücken zu, sein breiter Nacken war gerötet.
    »Ja, gewiss, ich bekam Elicias Hand. Doch das war nicht seine Idee gewesen. Ihm war es gleichgültig, wen Elicia heiratete, er kümmerte sich kaum um das, was sie tat. Ich glaube, sie wählte mich nur deshalb zum Gemahl, weil sie dachte, damit ihrem Vater zu gefallen. Nach der Heirat behandelte er mich wie einen Knappen, da er wusste, dass ich ihm als Schwiegersohn mit Haut und Haar gehörte. Weitere sechs Jahre lang holte ich ihm alle Kastanien aus dem Feuer, an denen er sich die Finger verbrannt hätte, und als Dank erhielt ich geringschätzige Behandlung. Er ließ mir gar nichts, weder Ruhm noch Teilhabe. Ich habe gelogen, als ich behauptete, er hätte mich an Kindes statt annehmen wollen. Das wäre ihm nie eingefallen, eher hätte er einen Stiefel angenommen. Elicia verlor in diesen Jahren ihre Achtung vor mir, und zwar nicht, weil sie fand, ich müsste mich wehren, sondern weil sie der Meinung war, ich wäre eine Enttäuschung für ihren Vater. Vergeblich versuchte ich ihr klarzumachen, dass Agapet sich besser machte, als er war – doch sie wollte nichts davon wissen und unterstellte mir Neid. Sie, die in anderen Dingen so klar sah, war, was ihren Vater anging, mit Blindheit geschlagen. Und sie ist es noch immer. Er ist der Heilige, und ich bin ein dummer Junge. Vielleicht bin ich ’ s. Kriege zu führen ist das Einzige, was ich kann. Darin bin ich gut. Ich würde Agapet und Aistulf und wie sie alle heißen vom Schlachtfeld pusten, selbst wenn ich nur halb so viele Männer wie sie hätte. Ich

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