Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sündenheilerin (German Edition)

Die Sündenheilerin (German Edition)

Titel: Die Sündenheilerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Metzenthin
Vom Netzwerk:
fragte Lena.
    »Wenn wir Glück haben, reicht ihnen das, und sie verhandeln. Ansonsten geht es weiter.«
    Es ging weiter. Während des ganzen Tages kam es zu immer neuen Angriffen mit brennenden Pfeilen. Und es gab die ersten Verluste. Erst jetzt schenkte Lena dem großen Zelt Beachtung, das man am Abend zuvor am Rand des Lagers errichtet hatte. Dort ging der Wundarzt seiner Arbeit nach. Sie hörten Männer schreien und so qualvoll stöhnen, dass es selbst Mechthild und Tante Margarita den Appetit raubte. Das große Fest war vorüber. Die Schlacht hatte begonnen.
    Philip machte ein ernstes Gesicht, als er Lena am späten Nachmittag traf.
    »Wir haben schon elf Mann verloren«, sagte er, als sie ihn fragte. »Und siebenundzwanzig Verwundete, neun davon schwer.«
    Ihr fiel auf, dass Said nicht an seiner Seite war.
    »Was ist mit Said?«
    »Er hat dem Wundarzt seine Hilfe angeboten. Für die Verwundeten ist es ein Segen, denn die Knochenbrecher hierzulande taugen nicht viel.« Philip stieß verächtlich die Luft aus. »Glauben sie doch allen Ernstes, ein Mann, der schon eine Menge Blut verloren hat, könne durch einen Aderlass neue Kraft gewinnen.«
    »Vielleicht sollte ich auch fragen, ob ich mich dort nützlich machen kann.«
    »Es ist kein schöner Ort«, entgegnete Philip. »Dort herrschen Blut und Gestank, Leid und Tod.«
    »Glaubst du, das schreckt mich?«
    »Nein. Du bist eine der mutigsten Frauen, der ich jemals begegnet bin.«
    »Begleitest du mich?«
    Er nickte und bot ihr seinen Arm.
    Philip hatte vollkommen recht. Es war ein schrecklicher Ort voller Blut und Gestank. Die Männer lagen auf dem Boden, der mit Stroh bedeckt war. Kaum zu glauben, dass dieses Stroh am Morgen noch frisch gewesen war. Blut und Schweiß durchtränkten die Decken, und dem Geruch nach zu urteilen, hatten einige der Männer ihre Exkremente nicht mehr bei sich behalten können.
    In der Mitte stand ein großer Holztisch, auf dem der Wundarzt sich um die schwersten Wunden kümmerte. Mehrere Männer hielten einen Verwundeten fest. Der Mann brüllte, als würde er zu Tode geschunden.
    Lena wollte einen Schritt näher treten, da spürte sie, wie Philips Hand sich fest um die ihre schloss und sie zurückhielt.
    »Dort kannst du nicht helfen.«
    Sie sah Philip an. Für einen Moment schien es ihr, als trage er wieder die Maske, hinter der er seine Gefühle verbarg.
    »Verbrenn das!«, befahl der Wundarzt. Ein junger Mann löste sich aus der Gruppe um den Tisch. In seinen blutigen Händen trug er einen abgesägten Arm.
    Lena würgte. Sie hatte immer gewusst, was hier geschah, aber es von so nahe zu sehen, brachte sie fast um ihre Selbstbeherrschung.
    »Willst du immer noch helfen?«, fragte Philip.
    Sie schluckte. »Ja«, antwortete sie dann. Schlimmer als das, was sie schon erlebt hatte, konnte es nicht mehr sein.
    Philip brachte sie zu Said, der am anderen Ende des Zeltes Blutungen stillte und Verbände anlegte. Der Araber sagte nicht viel, als er sie sah. Im Gegensatz zu Philip hielt er es offenbar für selbstverständlich, dass Lena ihre Hilfe anbot. Mit kurzen Worten wies er sie an, wie sie ihm am besten helfen konnte. Philip verabschiedete sich, da der Fürst die Ritter in seinem Zelt erwartete. Lena nickte nur. An Saids Seite kamen ihr Blut und Leid nicht mehr so schrecklich vor, denn der Araber hatte eine ganz besondere Art, die Verletzten mit sanfter Stimme zu beruhigen und ihnen zu erklären, was er tat. Sie hatte schon davon gehört, dass es Heiler gab, die offene Wundränder vernähten wie andere ein Kleidungsstück, aber sie hatte es noch nie zuvor gesehen. Said unterwies sie im Gebrauch der gebogenen Nadel, während sie die Hand der Verletzten hielt und ihnen Trost spendete. Im Hintergrund hörte sie wieder das Geschrei eines Mannes und das unbarmherzige Knirschen der Säge, die Knochen durchtrennte.
    Es war schon dunkel, als sie das Zelt verließ. Wie am Abend zuvor brannten zahlreiche Feuer, an denen Wildbret gebraten wurde, doch Lena hatte keinen Hunger. Der Blutgeruch haftete ihr noch immer in der Nase. Dies war der erste Tag. Wie sollte das Feldlager erst in einer Woche aussehen?
    In dieser Nacht tuschelte sie nicht mit Mechthild, denn sie war todmüde. Aber auch die Fürstentochter war schweigsam geworden. Mechthild hatte endlich begriffen, dass die Burgbelagerung kein großes Volksfest war.
    Hinter den Mauern der Burg brannte es nun ständig. Dichter schwarzer Qualm verdunkelte den Himmel, aber nichts konnte Graf Dietmar

Weitere Kostenlose Bücher