Die Sündenheilerin (German Edition)
Michaelis zurückbringen. Jeder weitere Tag auf dieser Burg birgt Gefahr für Euer Leben. Zudem befürchte ich, dass, sollte der Giftmord fehlschlagen, Graf Dietmar die Räuberbande bei Eurer Rückkehr ins Kloster auf Euch hetzen wird. Barbarossa tut alles, was der Graf verlangt, sofern es seinem Geldbeutel einträglich ist.«
»Was ist mit Ludovika?«
Philip schüttelte den Kopf. »Sie ist nicht in Gefahr, es geht hier nur um Euch.«
»Aber …«
Der Ägypter hob abwehrend die Hände.
»Hört mich an, Frau Helena, ich habe es mir auf dem Rückweg vom Räuberlager gut überlegt, ich …«
»Ihr kennt das Versteck?«, unterbrach sie ihn. »Dann könnte man die Bande doch ausheben.«
»Das wird auch geschehen, aber nicht in dieser Nacht. Dazu brauche ich zuverlässige Männer, und die finde ich in diesem Umfeld kaum.«
Lena nickte. »Ihr habt recht. Verzeiht, dass ich Euch unterbrach.«
»Es gibt nur einen Weg, Euch möglichst sicher von hier fortzubringen, ohne dass Dietmar Barbarossas Bande auf Euch hetzen kann. Aber dazu muss Schwester Ludovika hierbleiben.«
Lena setzte zum Widerspruch an, doch Philip ließ sie nicht zu Wort kommen.
»Es muss so aussehen, als hätte ich Euch entführt. Ludovika wird es sofort glauben, und dem Grafen wird eine vermeintliche Zeugin meiner Schurkentat teuer sein. Sie gibt ihm die Möglichkeit, uns durch seine Männer verfolgen zu lassen, ohne dass er auf die Räuberbande zurückgreifen muss.«
»Aber worin liegt der Vorteil?«
Philip lächelte. »Ganz einfach, Graf Dietmar wird erfahren, dass ich im Lager von Barbarossa war. Der Räuberhauptmann wird glauben, ich hätte Euch aus reinem Eigennutz geraubt, vielleicht hofft er sogar, ich würde Euch zu ihm bringen, wenn ich Euer überdrüssig bin. Er wird sich heraushalten und uns nicht nachsetzen. Damit haben wir die Zahl unserer Verfolger verringert. Zudem wird Dietmar vermuten, ich würde Euch in Barbarossas Lager bringen. Wie sollte er auch auf den Gedanken kommen, unser Ziel könnte Kloster Sankt Michaelis sein?«
Lenas Hände rieben über den Stoff ihrer Suckenie, verharrten bei den nassen Weinflecken.
Philips Blicke folgten ihren Händen.
»Ihr habt noch immer Angst, ich hätte Euch belogen?«
»Ich … ich weiß nicht recht«, antwortete sie. »Es klingt alles so logisch, aber …«
»Ihr befürchtet, ich könnte Euch tatsächlich rauben, schänden und später den Räubern ausliefern?«
Sie senkte den Blick. Es war ihr unangenehm, dass er ihre geheimsten Befürchtungen so offen aussprach.
»Helena, seht mich an!«
Sie hob den Kopf.
In seiner Hand hielt er einen Siegelring.
»Erkennt Ihr das Wappen?« Er reichte ihr den Ring. Drei Bäume waren in den roten Stein eingeschnitten. Das Zeichen der Grafen von Birkenfeld.
»Der Ring gehörte meinem Vater, dem rechtmäßigen Erben von Burg und Grafentitel.«
Noch während sie das Schmuckstück in der Hand hielt, kniete er vor ihr nieder wie ein Ritter, der den Lehnseid ablegt.
»Frau Helena, ich schwöre Euch bei allem, was mir heilig ist, dass ich Euch wohlbehalten nach Sankt Michaelis zurückbringen werde.«
Ein Schauer lief ihr über den Rücken.
»Bitte, steht auf, Herr Philip!«
»Erst wenn Ihr mir versprecht, mit mir zu kommen.«
Sie reichte ihm den Ring zurück und nickte.
Er erhob sich.
»Packt nur das Notwendigste zusammen, ich werde unterdessen Vorbereitungen treffen, damit wir die Burg möglichst unauffällig verlassen können. Ich hole Euch, wenn es so weit ist.«
Lena schlug das Herz bis zum Hals, als sie die weinbefleckte Suckenie gegen ein sauberes Kleid tauschte und einige Kleidungsstücke für die Flucht zusammenraffte. Ihre Gedanken rasten. Die Furcht war noch nicht vollends gebannt, allerdings hatte sie keine Angst mehr, Philip könne ein falsches Spiel mit ihr treiben. Er war bereit, ein großes Risiko für sie einzugehen. Ihre Gedanken kehrten zu Elise zurück. Sie musste die Gräfin verlassen, ohne ihr wirklich geholfen zu haben. Dabei war sie des Rätsels Lösung so nahe gewesen. Ob Elise wohl wusste, dass ihr Gatte den Mord an Martin und seinem Hochzeitszug befohlen hatte?
Es klopfte an der Tür. Philip stand vor ihr, in seinen schwarzen Reisemantel gehüllt.
»Seid Ihr bereit?«
Sie nickte, griff nach ihrem Bündel und warf sich den Umhang über. Philip nahm ihre Hand. Eigentlich eine unschickliche Vertraulichkeit, doch unter den gegebenen Umständen eine beruhigende Geste. Auf leisen Sohlen stiegen sie die Stufen hinab bis
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