Die Sündenheilerin (German Edition)
endlich absetzen wollte. Was mochte die Hagezussa wohl gemeint haben, als sie Thea versprach, sie werde finden, was sie begehre? Geborgenheit und Liebe? Oder ging es doch nur um Macht? Er hatte gedacht, alles über Frauen zu wissen. Über Thea wusste er gar nichts.
13. Kapitel
V erzeiht meine Verspätung, Herr Dietmar.«
Überrascht blickte Lena auf. Philip stürzte in den Saal, an dem schon alle an der Tafel saßen. Abgehetzt und verschwitzt, so als hätte er den frischen Bliaut in aller Eile übergeworfen, um nicht in staubigen Kleidern zu erscheinen. Der Graf nickte nur, und Philip nahm an Lenas Seite Platz. Das wunderte sie, denn für gewöhnlich saß er am anderen Ende der Tafel. Vielleicht war ihm seine Verspätung so unangenehm, dass er sich auf dem nächstbesten Sitz niederließ.
Graf Dietmar gab sich ausgesprochen liebenswürdig, obwohl die Gräfin sich wieder hatte entschuldigen lassen. Vermutlich bedauerte er sein Verhalten am Tag zuvor.
»Ihr solltet von dem Wein kosten, Frau Helena.« Er reichte ihr selbst den Pokal, den die Magd soeben gefüllt hatte. Lena war bereit, auf die Versöhnungsgeste einzugehen.
Ein plötzlicher Stoß. Der Pokal schwappte über und spritzte sie von oben bis unten nass.
»Oh, verzeiht!« Philip starrte sie mit großen Augen an, in der Hand ein Stück Brot, nach dem er eben ungeschickt über den Tisch gelangt hatte. »Das wollte ich wirklich nicht. Wie kann ich das nur wiedergutmachen?«
Bildete sie es sich ein, oder roch er nach Bier?
»Lasst gut sein«, sagte sie und erhob sich. »Es ist wohl besser, wenn ich die Flecken sofort entferne.«
»Bitte vergebt mir meine Ungeschicklichkeit.« Philip sprang auf. »Darf ich Euch wenigstens die Tür aufhalten?«
Er hastete an ihr vorbei. Und er roch ganz zweifelsfrei nach Bier.
Sie wandte sich zur Tafel um. Der Kaplan hatte nur kurz den Kopf gehoben und sich wieder seinem Mahl gewidmet. Ludovika runzelte die Stirn, aber ihr böser Blick war nichts gegen die Verärgerung in den Augen des Grafen. Und Said schaute seinem Freund hinterher, als hätte der den Verstand verloren.
Philip hielt ihr wie angekündigt die Tür auf, doch er kehrte nicht in den Saal zurück, sondern schloss die Tür von außen.
»Ich muss dringend mit Euch sprechen, Frau Helena.« Nichts deutete mehr darauf hin, dass es ihm unangenehm war, sie in diese Lage gebracht zu haben.
»Habt Ihr das etwa absichtlich getan?« Was maßte dieser Mann sich an?
Er senkte kurz die Lider, deutete ein Nicken an.
»Ihr schwebt in großer Gefahr. Sie ist noch größer, als ich gestern glaubte. Man trachtet Euch nach dem Leben.«
Seine Stimme klang ernst, nicht wie die eines Narren. Dennoch konnte sie kaum glauben, was sie hörte.
»Seid Ihr Euch sicher, dass Ihr nicht einen Krug Bier zu viel getrunken habt?«
»Ich bin mir sehr sicher, Frau Helena. Und es ist auch keine Zeit mehr für Geplänkel. Ich weiß aus sicherer Quelle, dass Graf Dietmar Euch zu vergiften beabsichtigt. Ein langsam wirkendes Gift, das eine schwere Krankheit vortäuschen soll.«
Lena holte tief Luft. Alles in ihr schrie danach, Philip einen Lügner zu nennen, doch zugleich erkannte sie die Sorge in seinen Augen. Wenn er ein falsches Zeugnis ablegte, dann nicht bewusst.
»Nennt mir Eure Quelle«, forderte sie ihn auf.
Schritte hallten durch das Stiegenhaus. Zwei Mägde trugen den nächsten Gang herbei.
»Nicht hier, wo jeder lauschen kann«, flüsterte Philip. »Lasst uns nach oben gehen.«
In ihren Eingeweiden rumorte es. Irgendetwas fühlte sich falsch an, doch sie wusste nicht, was es war. Seine Stimme klang so ernst und aufrichtig, dass sie trotz seiner Bierfahne nicht anders konnte, als ihn anzuhören. So nickte sie und folgte ihm die Treppe hinauf.
Er betrat hinter ihr die Kammer, hielt sich aber schicklich in der Nähe der Tür auf.
»Nun, sprecht. Warum will man mich vergiften, und wer hat es Euch verraten?«
»Gestern teilte ich Euch mit, was ich bislang erfahren hatte. Graf Dietmar ist mit Barbarossas Bande im Bund. Seit heute weiß ich mit letzter Sicherheit, dass es stimmt. Graf Dietmar kennt den Räuberhauptmann schon seit Jahren. Barbarossa übte nicht immer das Räuberhandwerk aus, einst war er ein Ritter und ein Freund von Dietmars Bruder.«
Warum senkte er dabei den Blick, als sei ihm gerade diese Einzelheit unangenehm? Vielleicht weil Otto tatsächlich sein Vater war? Sie beschloss, ihn auf die Probe zu stellen.
»Und warum kehrte Otto nicht zurück nach
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