Die Sünder - Tales of Sin and Madness (German Edition)
tropfte.
Aus dem Augenwinkel nahm er ein flackerndes Leuchten wahr. Er blickte in Richtung Strand und sah dort tatsächlich ein Licht. Es war nicht besonders hell und wirkte, als lodere eine Wolke aus gelbem Nebel in der Dunkelheit auf.
Der Reverend ging in Richtung des Ozeans. Für eine kleine Weile vergaß er, was sich in seinem Haus befand und dort tot auf dem Küchenfußboden lag. Im Moment interessierte ihn nur die Quelle des seltsamen Lichtscheins.
Vielleicht ist doch jemand mit einer Taschenlampe unterwegs, ging ihm durch den Kopf. Er oder sie könnte verletzt sein.
Das Licht erlosch.
Der Reverend blieb stehen und überlegte stirnrunzelnd, warum das geheimnisvolle Licht so unvermittelt verschwunden war.
Selbst wenn jemand dort draußen ist, kann ich ihn oder sie jetzt nicht mit zu mir nach Hause nehmen.
Trotzdem ging er weiter.
Er stapfte weitere fünf Minuten über den sandigen Boden, ehe er die Klippe erreichte, auf der er dem verstorbenen Mann zum ersten Mal begegnet war.
Er konnte niemanden mit einer Taschenlampe sehen, trat noch näher an den Abgrund und schaute auf den Ozean hinab.
Der Reverend war überrascht, als er ein Schiff entdeckte. Es lag ein kleines Stück vom Strand entfernt vor Anker und er konnte beobachten, wie mehrere Gestalten von Bord gingen. Einige hatten das Schiff bereits verlassen und trotteten über den finsteren Strand, während andere noch die steilen Stufen hinunterkletterten, die zum Sand führten.
Es war unmöglich, all die dunklen Gestalten zu zählen, aber der Reverend schätzte, dass es mindestens 20 sein mussten. Im Inneren des Schiffs hielten sich vermutlich noch weitere auf, die er nicht sehen konnte und die darauf warteten, ebenfalls auszusteigen.
Die winzigen Bullaugen an der Seite des Schiffs waren hell erleuchtet und am Bug thronte eine riesige Fackel.
Da ist mein geheimnisvolles Licht, dachte der Reverend.
Er fragte sich, warum sie mit dem Schiff ausgerechnet hier vor Anker gegangen waren. Vermutlich war ein unerwartetes Problem aufgetreten und hatte sie gezwungen, sofort an Land zu gehen.
Er blieb noch eine Weile stehen und beobachtete, wie sich weitere Grüppchen aus dunklen Gestalten auf dem Strand verteilten. Erst, als ihm ein vertrauter Geruch in die Nase stieg, lief ein kalter Schauer durch seinen Körper und er beschloss, wieder zu gehen.
Der Reverend wandte dem Meer seinen Rücken zu und begab sich wieder in Richtung seines Häuschens.
Den Großteil des Weges legte er im Laufschritt zurück. Als er das Haus erreichte, schnaufte und schwitzte er heftig. Vor der offenen Tür blieb er stehen.
Er holte tief Luft, bevor er sein Haus betrat, machte die Tür hinter sich zu und schloss sie sorgfältig ab. Der widerliche, vertraute Gestank, den er am Meer wahrgenommen hatte, hatte eine tiefe Angst in ihm geweckt. Er hatte das starke Gefühl, dass schon bald etwas Unnatürliches geschehen würde.
Er gab seinem Instinkt nach und ging durch das ganze Haus, um sämtliche Fenster und Vorhänge zu schließen. Eine Hintertür gab es nicht, daher musste er sich lediglich um die Fenster kümmern.
Als er fertig war, ließ der Reverend sich völlig erschöpft in seinen Sessel neben dem fast vollständig heruntergebrannten Kaminfeuer fallen.
Und was mache ich jetzt mir der Leiche?, fragte er sich. Der Gedanke, die Unmengen an Blut aufwischen zu müssen, belastete sein ohnehin schweres Gemüt noch mehr.
Als er sah, dass das Feuer geschürt werden musste, erhob er sich und warf weitere Holzscheite in den Kamin. Schon bald prasselte das Feuer wieder lebendig und er lehnte sich mit einem Seufzen zurück.
Was hält diese grauenvolle Nacht wohl noch für mich bereit?, fragte sich der Reverend. Er wollte am liebsten vergessen, was vorgefallen war. Was er getan hatte. Wie konnte er nach diesem Erlebnis noch in der Kirche von Frieden und brüderlichem Miteinander predigen und Gebete anstimmen?
Über das Knistern des Feuers hinweg vernahm der Reverend ein schwaches Stöhnen. Er drehte sich um, sah zur Küche hinüber und erwartete beinahe, den Mann erneut auf sich zuwanken zu sehen, während das Messer noch immer in seinem Kopf steckte. Vor der heutigen Nacht hätte er so etwas niemals für möglich gehalten. Es jagte ihm beinahe ebenso viel Angst wie das tiefe, lang gezogene Stöhnen, das immer lauter zu werden schien.
Der Reverend erhob sich und trat in die Küche. Die Leiche lag noch immer auf dem Küchenboden, reglos und blutüberströmt.
Nun hörte er, dass
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