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Die Sünderin von Siena

Die Sünderin von Siena

Titel: Die Sünderin von Siena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Versprechen noch vor dem nächsten Vollmond einlöst.«
    Damit stolzierte sie hinaus.
    Matteo ließ sich auf einen Schemel sinken und stierte blicklos vor sich hin. So fand ihn Nevio vor, als er mit den Wassereimern zurückkam.
    »Ist etwas passiert?«, rief er sofort. »Hat die alte Kröte dich verhext? Ich kann sie nicht ausstehen, damit du es nur weißt!«
    Matteo schüttelte den Kopf. Dann stand er auf, ging zur Staffelei und schlug das Tuch zurück.
    »Malen muss ich«, flüsterte er. »Malen, malen – bis ich alles vergesse.«

    ❦

    Der Raum, den der Prediger bewohnte, lag im ersten Stock des alten Palazzo, und Giovanni hatte ihn noch niemals betreten, seit er hier lebte. Jetzt wollten ihm auf der Treppe die Beine beinahe den Dienst versagen, so aufgeregt war er. Stundenlang hatte er die Stadt durchstreift, weil ihn zwischendrin immer wieder der Mut verlassen wollte, nun aber war er endlich zu allem entschlossen. Er würde gestehen. Und seine Buße auf sich nehmen.
    Natürlich war die Türe nicht unbewacht. Zwei der älteren Engel lungerten auf der Brüstung herum und beäugten ihn misstrauisch, als er sich zögernd näherte.
    »Hat er dich rufen lassen?«, fragte der Bulligere von beiden, der den Eindruck machte, als könne er ohne Weiteres einen Kinderschädel zwischen seinen Handflächen zerquetschen.
    Giovanni schüttelte den Kopf.
    »Dann verpiss dich gleich wieder!« Der Zweite war größer und schlank, mit blonden, zerzausten Locken, die ihm beinahe etwas Mädchenhaftes gaben.
    »Ich muss trotzdem zu ihm!«, stieß Giovanni hervor. »Lasst mich durch – es geht um Leben und Tod.«
    Der Stoß des Bulligen, den ihm dieser fast beiläufig versetzte, ließ ihn straucheln. »Hilfe!«, schrie Giovanni und klammerte sich an die Brüstung. »P adre Bernardo – zu Hilfe!«
    Plötzlich stand der Prediger in der geöffneten Türe, mager und stoppelig, in seiner schwarzen Kutte, die er scheinbar niemals ablegte, als sei sie inzwischen mit seinem Leib verwachsen.
    »Der Kleine hier wollte Ärger machen …«
    Eine einzige Handbewegung brachte den Bulligen zum Schweigen.
    »Ich brauche euch nicht mehr«, sagte Bernardo. »Und du, mein Sohn, komm!« Jetzt war seine Stimme überraschend sanft. »Der Vater empfängt dich.«
    Dann war Giovanni plötzlich mit ihm allein.
    »Wie heißt du?«, fragte Bernardo.
    »Giovanni, Giovanni di …«
    Die gleiche Geste wie vorhin.
    Der Junge verstand und schwieg. Familiennamen waren unwichtig geworden. Er war jetzt einer von ihnen, ein Engel allerdings, der schwere Schuld auf sich geladen hatte.
    Weil es so still blieb, sah er sich verstohlen um. Er hatte eine karge Zelle erwartet, wie Mönche sie im Kloster bewohnten, mit einer Pritsche, einem Kreuz, erbaulichen Schriften. Doch das Zimmer war überraschend groß, ausgestattet mit diversen Truhen, einem Tisch und bequemen Stühlen, und das Bett des Predigers breit, mit kunstvoll geschnitzten Füßen, bedeckt mit einem roten, glänzenden Überwurf, der zerknittert war und ganz und gar nichts Asketisches an sich hatte.
    Eine glühende Welle fuhr in Giovannis Körper. Ihm war speiübel. Nicht ein Wort würde er herausbekommen.
    »Ich höre, mein Sohn.« Die dünnen Lippen teilten sich zu einem Lächeln.
    »Ich … ich … bin ein Sünder.« Tränen der Scham schossen Giovanni in die Augen. Selbst jetzt war er zu feige, die ganze Wahrheit auszusprechen! »Ich habe Schuld auf mich geladen – schwere Schuld, padre .«
    »Wer ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein«, sagte der Prediger. »Ich vermag nicht recht zu glauben, dass du dieses tröstliche Jesuswort noch nie zuvor gehört hast.«
    Giovanni brachte so etwas wie ein Nicken zustande. »In der Messe«, flüsterte er dann. »Mit meiner Mutter. Als ich noch ganz klein war …«
    Die Hand Bernardos hielt auf einmal seinen Nacken umklammert. Der Junge konnte sich nicht mehr rühren. Es fühlte sich an, als wäre er unversehens in ein scharfzahniges Fangeisen geraten.
    »Ich fürchte, du hast nichts verstanden, mein Giovanni. Gar nichts «, sagte der Prediger. »Wer ist dein Vater?« Er drückte noch fester zu.
    »Gott im Himmel«, stieß Giovanni hervor.
    »Richtig! Und wer noch?«
    »Ihr. Ihr !«, schrie er, weil der eiserne Griff, in dem er gefangen war, auf einmal zu glühen schien.
    Der Prediger ließ ihn los. Erst jetzt begann das Blut in Giovannis Kopf wieder zu strömen.
    »Na also«, sagte Bernardo. »Du bist mein Sohn. Und ich bin dein Vater. Und den Vater soll man

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