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Die Sünderin von Siena

Die Sünderin von Siena

Titel: Die Sünderin von Siena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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es niemals warm genug haben.«
    »Wo sonst sollten wir ihn aufbewahren? Und auch so müssen wir zusehen, dass wir ihn möglichst rasch unter die Erde bringen, denn es wird jetzt mit jedem Tag wärmer.« Barna verzog keine Miene. »Doch begraben können wir ihn erst, wenn keine Fragen mehr offen sind.«
    Mamma Lina zog den Umhang enger um sich, als würde sie in der Schwüle des sonnendurchfluteten Uffiziums plötzlich einen eisigen Hauch verspüren.
    »Kann ich jetzt gehen?«, fragte sie. »Die Kinder warten auf mich.«
    »Für den Augenblick – ja«, erwiderte der Rektor. »Doch haltet Euch weiterhin zu unserer Verfügung! Möglich, dass wir Euch noch einmal ausgiebig befragen müssen.«
    Sie nickte kurz, vermied es aber aufzusehen. Dann verließ sie gesenkten Hauptes das Uffizium.

    ❦

    Wie schön die Stadt war, wie strahlend und prächtig!
    Zum ersten Mal seit Mauros Tod hatte Gemma wieder einen Blick dafür. Sie genoss jeden Schritt, spürte das unebene Pflaster unter ihren abgelaufenen Sohlen, den Wind, der ihren Rock bauschte, die Sonnenstrahlen, die ihr den Rücken wärmten. Über ihr ein wolkenloser Himmel, dessen makelloses Blau den Ziegelton der Häuser und Palazzi noch verstärkte.
    Sie war lediglich bis zur Pforte des Palazzo Pubblico vorgedrungen, wo ein übellauniger Alter Caterinas Brief an ihre Brüder in Empfang nahm. Nachdem er sich geweigert hatte, sie auch nur einen Schritt weiter vorzulassen, hatte Gemma zunächst Lust zum Streiten verspürt.
    »Wer sagt mir denn, dass sie ihn auch tatsächlich erhalten werden? Ich hab den Auftrag, ihn den beiden Ratsherren persönlich auszuhändigen.«
    »Sagt mir nicht, was ich zu tun oder zu lassen habe! Ich hab hier schon Dienst geschoben, als Ihr noch in den Windeln gelegen seid, Signorina «, erwiderte der Alte bärbeißig. »Und jetzt macht, dass Ihr wieder nach Hause kommt! Das hohe Haus der Politik ist nicht der richtige Ort für Euer neugieriges Geschlecht!«
    Für einen Augenblick musste sie über seine herzerfrischende Unfreundlichkeit schmunzeln. Die Ratsherren hatten es wirklich nicht einfach – monatelang beim Regieren eingesperrt zu sein, ohne zu ihren Familien zu dürfen! Dann fiel ihr wieder Mauros bleiches, stilles Gesicht ein, und sie hatte erneut gegen Tränen anzukämpfen.
    Wie es wohl Mamma Lina im Hospital ergangen sein mochte? Gemma hatte ihr angeboten, sie dorthin zu begleiten, war jedoch auf strikte Ablehnung gestoßen.
    »Ich bin es, die die ganze Verantwortung trägt. Deshalb muss ich ihnen auch allein Rede und Antwort stehen.« Kein Lächeln, nicht ein versöhnlicher Blick. Die Nacht in Matteos Haus hatte sich wie eine dunkle Wand zwischen ihnen aufgetürmt.
    Gemma hatte den Campo überquert und blieb jetzt am oberen Rand stehen. Viele sagten, er sei wie eine Muschel, die sich in die natürliche Mulde schmiegt, Symbol der Schönheit und des Stolzes der Stadt mit dem schwarzweißen Banner. Für Gemma jedoch war der Campo seit jeher der ausgebreitete Mantel der allerheiligsten Jungfrau, der Siena und seinen Menschen Schutz und Schirm versprach.
    Matteo hatte ihre Gesichtszüge seiner Madonna gegeben und war drauf und dran, das in einem größeren Werk zu wiederholen. Beinahe hatte er sie schon mit seinem leidenschaftlichen Drängen, dass es so und nicht anders sein müsse, überzeugt. Doch der Tod des Kleinen nach jener einzigartigen Nacht hatte alles verändert. Seitdem fühlte Gemma sich schuldig, dieser Ehre absolut unwürdig, und die altbekannte Angst vor Lupo war erneut zu ihrer Begleiterin geworden.
    Bestimmt musste sie deshalb an ihr Hochzeitskleid mit der überlangen Schleppe denken, an die Brautkrone, die ihr während der Hochzeitsmesse in die Stirn geschnitten hatte, an die prall gefüllten Aussteuerkisten voller Linnen, Tuche und Damaste. Sogar der weiche Futterpelz aus Murmeltier stand wieder vor ihrem inneren Auge, ebenso wie der kostbare Hermelinkragen, der ihrem Hals geschmeichelt hatte – wie hätte sie da schon ahnen können, welch Abgründe hinter dieser Pracht auf sie lauerten!
    Und doch hatte sie schon am Hochzeitstag ein ungutes Gefühl beschlichen.
    »Wozu all diese Dinge?«, hatte sie damals ihren Vater gefragt. »Man könnte fast denken, du hättest mich verkauft. Wo doch Liebe aus einem unsichtbaren Stoff besteht und weder Rauwerks noch gefüllter Kisten bedarf.«
    »Pelze und volle Truhen können die Liebe aber haltba rer machen«, hatte seine Antwort gelautet. »Es fällt leichter, jemanden zu schätzen

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