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Die Sünderin

Die Sünderin

Titel: Die Sünderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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wäre», sagte Grit Adigar, «das hätten sie in Eppendorf mit Freude erledigt, allein um zu zeigen, dass sie es können. Ich weiß nicht, was da alles zusammenkam. Da müssten Sie sich mit Margret unterhalten. Sie hat damals die Unterlagen aus der Klinik geholt, die gesamte Krankengeschichte. Solange Magdalena lebte, wusste hier kein Mensch, wie es wirklich um sie stand. Wilhelm kümmerte sich kaum darum. Elsbeth war zu blöd zu begreifen, was die Ärzte ihr erklärten. Und Magdalena wollte es nicht wahrhaben und schwieg. Im April wollten die Ärzte sie in der Klinik behalten. Sie bestand darauf, hier zu sterben. Sie hätte daheim genau die Pflege, die sie brauche, soll sie gesagt haben. Nur hat sie hier den Mund nicht aufgemacht. Und dann kam Cora heim in der Nacht   … Als Wilhelm am nächsten Morgen nachschaute, weil sie nicht herunterkam, war Cora verschwunden.»
    «Wann genau war das?», wollte er wissen.
    «Warten Sie, das Datum steht auf dem Totenschein. Ich hole ihn, er ist im Schlafzimmer.»
    Wie ein Blitz huschte sie zur Tür hinaus, war zwei Sekunden später wieder da und hielt ihm den Schein hin. «Herz- Nieren-Versagen », las er. Und die Unterschrift des Arztes. Sie war unleserlich, er machte sich nicht die Mühe, sie zu entziffern.Seine Augen hatten das Datum ausgemacht. 16.   Mai. Magdalenas Geburtstag. Gestorben war Cora Benders Schwester am 16.   August.
     
    Zweimal der 16.   Man musste nicht Psychologe sein, um zu begreifen, welche Bedeutung das Datum in Cora Benders Leben hatte und warum sie in ihrer ersten Version den Beginn ihrer Romanze mit Johnny in den Mai verlegte. Wunschdenken. Frei nach dem Motto: Wäre ich doch im Mai, statt im August. Die Tote aus der Lüneburger Heide konnte er damit vergessen, ebenso ihre Behauptung, ihre Tante habe ihn belogen.
    Von ihrer Tante hatte er vermutlich die Wahrheit gehört, jedenfalls andeutungsweise. Was sie ihm unterschlagen hatte! Von seiner Wut auf Margret Rosch war noch kein Quäntchen verraucht. Dass sich jemand freiwillig anbot, sich geradezu aufdrängte, alle notwendigen Auskünfte zu geben, und dann beim wichtigsten Punkt mauerte, was das Zeug hielt, es war eine bodenlose Unverschämtheit. Behinderung der Ermittlungsarbeit mindestens, wenn nicht Irreführung.
    Aber das musste er mit Margret Rosch klären. Er kam auf das zu sprechen, was ihn am meisten interessierte; der ominöse Selbstmordversuch und die anschließende ärztliche Behandlung. Leider wusste Grit Adigar nicht viel darüber.
    Es hatte jemand bei ihr angerufen – damals im November, ein paar Tage, bevor Cora zurückkam. Einen Namen hatte Grit Adigar nicht verstanden in der ersten Aufregung. Sie hatte auch nicht nachgefragt, war sofort nach nebenan gelaufen und hatte Wilhelm ans Telefon geholt. Wilhelm müsste den Namen wissen. Er hatte länger mit dem Mann gesprochen. Grit Adigar konnte nur sagen, in welchem Zustand Cora heimgekommen war. Und danach zu urteilen, musste der behandelnde Arzt ein Stümper gewesen sein. So schickteman keine Patientin nach Hause, wenn man auch nur ein bisschen Verantwortungsbewusstsein hatte.
    Cora kam mit einem Taxi an. Der Wagen hatte ein Hamburger Kennzeichen. Der Fahrer musste ihr beim Aussteigen helfen. Sie konnte sich kaum auf den Beinen halten. Der Fahrer kümmerte sich nicht weiter um sie, fuhr gleich wieder los.
    Grit Adigar schüttelte den Kopf. «Sie stand auf der Straße und starrte das Haus an, als sehe sie es zum ersten Mal. Dann ging sie langsam darauf zu. Ich sah das vom Fenster aus, lief hinaus und sprach sie an. Sie nahm mich nicht wahr. Elsbeth öffnete ihr die Tür. Und, na ja, Elsbeth mit ihrem Dachschaden schaute sie an und sagte: ‹Cora ist tot. Meine Töchter sind beide tot.› Cora schrie auf. Ich hatte noch nie einen Menschen so schreien hören. Wie ein Tier.»
    Grit Adigar erzählte weiter, wie Cora in den Knien einknickte und ihren Kopf gegen die Stufen vor der Haustür schlug, wieder und wieder. Wie Wilhelm in den Hausflur kam. Wie sie Cora gemeinsam nach oben schafften. Wie sie sie auszogen. Und unter dem Kleid kam ein völlig abgemagerter Körper zum Vorschein. Die blutig geschlagene Stirn und darüber die frische Narbe, diese Kerbe im Knochen. Gut verheilt für die paar Wochen – im Gegensatz zu den Armbeugen. Und während sie Cora auszogen, schrie und wimmerte sie. «Magdalena kann nicht tot sein! Wir fliegen nach Amerika!»
    «Ich hatte das Gefühl», sagte Grit Adigar, «sie wusste es nicht mehr. Sie hatte die

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