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Die Sünderin

Die Sünderin

Titel: Die Sünderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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die er im Laufe der Ermittlungen gestoßen war. Und: «Es wäre mir lieber, wenn ich mit Frau Frankenberg persönlich sprechen könnte. Es ist eine reine Formsache.»
    «Ich hole sie.» Alice Winger erhob sich und verließ den Raum. Sie blieb ein paar Minuten weg. Die Zeit nutzte Winfried Meilhofer, um sich zu erkundigen: «Kommen Sie voran mit Ihren Ermittlungen?»
    Er nickte. Irgendwie tat es gut, dass ausgerechnet der Mann, der direkt daneben gesessen hatte, davon ausging, dass es noch Ermittlungen gab.
    «Ich werde den Anblick nicht los», sagte Winfried Meilhofer leise. «Wie sie neben Frankie sitzt und ihn anschaut. Sie war glücklich. Ich sollte das vielleicht nicht sagen, aber sie hat mir Leid getan. Merkwürdig, wie man reagiert. Ich hätte entsetzt sein müssen. Ich war auch entsetzt. Aber mehr über Frankies Reaktion, über ihren Mann und über mich. Ich hätte von mir nie gedacht, dass es eine Situation gibt, in der ich mich nicht rühren kann. Ich hätte es verhindern können. Den ersten Stich nicht. Aber den zweiten. Und   …»
    Er wurde durch Alice Winger unterbrochen. Sie kam zurück und erklärte: «Sie kommt sofort. Bitte, gehen Sie behutsam mit ihr um. Es ist alles noch frisch. Sie waren so glücklich.»
    «Ja, natürlich.» Beinahe schämte er sich. Das war die andere Seite. Die Seite, für die er einzustehen hatte. Anständige Bürger, deren Leben in Sekundenbruchteilen durch irgendeinen Wahnsinn zerstört wurde.
    Es vergingen noch ein paar Minuten, ehe Ute Frankenberg bei der Tür erschien. Im ersten Augenblick bemerkte er nur den rosafarbenen Morgenrock, bodenlang und aus Plüsch. Sie hatte sich darin eingewickelt, als friere sie. Über dem Kragen ein rundliches graues Gesicht, übernächtigt, verweint, Nase und Augen waren rot geädert. Und um das Gesicht eine Kappe aus weißblondem Haar, eng anliegend, im Nacken mit einer Spange zusammengehalten. Mehr sah er nicht davon.
    Er wiederholte die erste Frage, auf die er bereits Antwort von Alice Winger erhalten hatte. Ute Frankenberg bestätigtemit leiser, kaum verständlicher Stimme. Er kam auf frühere Freunde ihres Mannes zu sprechen. Sie wusste nur, was Frankie erzählt hatte. Und gerne hatte er nicht darüber gesprochen. Einmal, als sie ihn auf das Lied ansprach, das er sich jeden Abend anhörte, ohne das er angeblich nicht einschlafen konnte, hatte er ihr ein paar alte Fotos gezeigt und erklärt, es sei die größte Dummheit gewesen, die er hätte machen können.
    Den Namen Cora hatte sie nie von ihm gehört. Aber er war auch nie hinter jedem Rock her gewesen, im Gegensatz zu den andern beiden. Was die trieben, habe ihn oft abgestoßen, hatte er gesagt. Mädchen und Koks. Koks und Mädchen. Und einmal hatte er gesagt, dass er immer auf sie gewartet habe. Sie sei sein Traum, genau die Frau, die er brauche, um geheilt zu werden.
    Ute Frankenberg sprach wie unter dem Einfluss starker Beruhigungsmittel. Er konnte nichts weiter tun als hin und wieder nicken, obwohl ihn der Hinweis auf Fotografien beinahe elektrisch aufgeladen hatte. Behutsam, dachte er. Gehen Sie behutsam mit ihr um. Natürlich!
    «Frau Frankenberg, diese alten Fotos, gibt es die noch?»
    «Frankie wollte sie wegwerfen. Ich fand das zu schade. Ich habe sie   …» Sie hatte auf einer Couch Platz genommen, erhob sich schwerfällig, ging zu einem Schrank, bückte sich, zog ein Schubfach auf und nahm ein Album heraus. «Kann sein, dass sie hier drin sind.»
    Das waren sie nicht. Sie hätte ins Schlafzimmer gehen müssen, dort lag noch ein Album. Und sie fühlte sich außerstande, es zu holen. Alice Winger erledigte das. Dann saß Ute Frankenberg wieder auf der Couch, das Album im Schoß, die Augen auf ein Foto in Postkartengröße geheftet. Frankie! Sie streichelte das Papier mit den Fingerspitzen, brach in Tränen aus und konnte nicht weiterblättern.
    Rudolf Grovian bemühte sich um Geduld. Alice Wingernahm das Album an sich, suchte und nahm eine Fotografie heraus. «Ist es das, was Sie meinen?»
    Ja, das war es! Die Erleichterung machte seine Brust wieder frei. Er musste nicht lügen, nicht manipulieren, nicht tun, was er vor knapp einer Stunde ihrem Anwalt vorgeschlagen hatte: «Wenn alle Stricke reißen, machen wir aus Frankie einen lieben, aber verzogenen Bengel aus gutem Haus, der – meinetwegen unter dem Einfluss von Alkohol und Kokain – zuließ, dass seine Freunde sich im August vor fünf Jahren an seinem Mädchen vergriffen. Es gibt keine Beweise dafür, aber es gibt

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