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Die Sünderin

Die Sünderin

Titel: Die Sünderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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Meinung über ihn war zutreffend. Zum Teufel damit! Neunzehn Jahre bei Elsbeth waren Strafe genug. Bei «lebenslänglich» durfte man nach fünfzehn Jahren auf Begnadigung hoffen. So gesehen, hatte Cora Bender vier Jahre über die Zeit abgesessen. Gnade vor Recht, wenigstens einmal.
    «Was wissen Sie über Cora Benders Kindheit und Jugend, Herr Brauning? Ist Ihnen nur bekannt, was in den Akten steht? Oder hat sie mit Ihnen darüber gesprochen?»
    Hatte sie nicht. Also tat er es für sie, fasste das Elend in eine Viertelstunde, zog mit den letzten Sätzen eine der Kassetten aus seiner Tasche. «Und dann passierte das!», sagte er. «Ich bin absolut sicher, es ist passiert. Genau so, wie sie es schildert. Aber ich kann es nicht beweisen, Herr Brauning. Ich kann’s nicht beweisen!»
    Gegen die Beklemmung, die er bei diesen Worten empfand, half nur eine Prise Ironie. Er zeigte auf die Wand links von seinem Sessel. «Sie haben da eine schöne Stereoanlage. Kassettendeck und alles, was man sonst noch braucht. Ich verschaffe Ihnen jetzt die Gelegenheit, die Frau Bender Ihnen verwehrt hat: beim Verhör anwesend zu sein. Sie haben eine Menge verpasst. Man muss es gehört haben. Gelesen wirkt es nicht. Schalten Sie ein. Es steht an der richtigen Stelle.»
    Über die großen Lautsprecherboxen klang es, als säße sie neben der noblen älteren Dame auf der Couch. Von dort hörte er ihre Stimme. Das Schluchzen, Betteln, Stammeln – und noch einmal ihr: «Helfen Sie mir!»
    Er sah Eberhard Brauning ein paar Mal heftig schlucken. Ihm war auch danach, aber er musste mit Kaffee nachhelfen. Cora Benders Stimme verstummte nach einigen Minuten. «An dem Punkt hatte ich sie heute wieder», sagte er leise. «Sie ging auf mich los. In genau der Weise, wie sie Frankenbergangegriffen hat. Wenn sie ein Messer gehabt hätte, säße ich jetzt nicht hier.»
    Eberhard Brauning antwortete nicht, er betrachtete den Kassettenrecorder, als müsse noch etwas nachkommen. Es kam nichts mehr. Und Helene hüllte sich in Schweigen, gab nicht mal Zeichen mit den Augen. Er sah sich genötigt zuzugeben: «Ich verstehe nicht ganz, was Sie von mir wollen, Herr Grovian.»
    Rudolf Grovian fühlte die Wut wieder. Er hatte auf der Zunge zu fragen: «Was machen Sie denn normalerweise als Pflichtverteidiger? Treten Sie als Galionsfigur auf?» Er beherrschte sich. «Beschaffen Sie ihr einen weiteren Gutachter», verlangte er und war ein wenig überrascht, als sich die noble ältere Dame plötzlich einmischte. «Herr Burthe genießt einen ausgezeichneten Ruf.»
    «Mag sein», sagte er. «Aber wenn Cora Bender zu flunkern beginnt, hilft einem der beste Ruf nichts. Sie hat ihm einen fetten Brocken hingeworfen, und er hat ihn geschluckt. Prostitution und perverse Freier.» Als er weitersprach, fiel ihm auf, wie sich Eberhard Braunings Miene veränderte. Der Knabe hätte beim Pokern keinen Pott gewonnen. «Hat sie auch Ihnen diesen Schwachsinn aufgetischt?» Eine Antwort bekam er nicht, nur diese viel sagende Miene. «Hören Sie!», sagte er und hätte beinahe gelacht. Hören Sie! Er sah sie vor sich, den tanzenden Finger, die Wut in ihren Augen. Lassen Sie meinen Vater in Ruhe!
    Er lachte nicht, sprach es noch einmal ganz bewusst aus: «Hören Sie! Ich muss wissen, was sie Ihnen erzählt hat. Jedes Wort, auch wenn Sie es für Schwachsinn halten. Sie gibt eine Menge Hinweise. Man muss das nur richtig interpretieren.»
    Eberhard Brauning ging zur Stereoanlage, nahm die Kassette aus dem Tapedeck, überreichte sie ihm und sagte der Form halber: «Ich brauche Kopien von allen Bändern. Auch von der Kassette, die am See abgespielt wurde.»
    «Hat sie mit Ihnen über das Lied gesprochen?»
    Eberhard Brauning antwortete nicht, nahm wieder umständlich Platz und runzelte missbilligend die Stirn. «Herr Grovian, Sie werden nicht von mir erwarten, dass ich das Gespräch mit Frau Bender vor der Gegenseite ausbreite.»
    «Verdammt nochmal! Ich bin nicht die Gegenseite. Muss ich Kniefälle tun, damit Sie den Mund aufmachen? Ich sitze zwar hier in meiner Eigenschaft als Ermittlungsbeamter. Aber ich bin nicht Cora Benders Feind.»
    «Da ist Frau Bender anderer Meinung.» Still für sich – Helene half ihm ja nicht, saß nur da und schmunzelte – gelangte Eberhard Brauning zu der Ansicht, dass es nicht schaden konnte, ein paar von Cora Benders Ergüssen auszubreiten.
    Er begann bei David und Goliath, kam über die drei Kreuze mit dem ohne Schuld in der Mitte zu Gottvater, der manchmal

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