Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sünderin

Die Sünderin

Titel: Die Sünderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
Vom Netzwerk:
anderen Verhören. Der Kaffee war längst fertig. Er erhob sich, ging zum Spülschrank, nahm den Becher, wusch ihn äußerst gründlich und so, dass sie es sehen konnte, unter fließendem Wasser aus. Dann schüttelte er ihn, dass die Wassertropfen nur so flogen. Ein sauberes Tuch zum Trockenwischen war natürlich nicht in der Nähe. Nie war das da, was man gerade brauchte.
    «Nehmen Sie Milch oder Zucker, Frau Bender?»
    «Nein, vielen Dank, schwarz, bitte. Ist er schön stark?»
    «Wie Teer», sagte er. Und sie lächelte flüchtig und nickte.
    Er goss den Becher voll und brachte ihn ihr an den Schreibtisch. Sein Verhalten entsprach noch der gängigen Verhörtaktik. Dass etwas daran anders war als sonst, fiel niemandem auf, nicht einmal ihm selbst. «Möchten Sie auch etwas essen?»
    Er setzte sich wieder auf den Stuhl ihr gegenüber und fragte sich, wo er um diese Zeit noch etwas Essbares auftreiben sollte. Flüchtig tauchte die reich gedeckte Kaffeetafel seiner Schwägerin vor seinem geistigen Auge auf. Für den Abend waren Nackensteaks vom Grill vorgesehen gewesen, zusammen mit dem geplanten ernsten Wort an seine Tochter wären sie für seine Galle ohnehin zu fett gewesen.
    Er schaute zu, wie sie den Becher mit beiden Händen umfasste, ihn dann vorsichtig beim Henkel nahm und zum Mund führte. Sie trank einen winzigen Schluck, murmelte:«Gut, genau richtig», und schüttelte den Kopf. «Vielen Dank, ich bin nicht hungrig, nur ziemlich müde.»
    Das war nicht zu übersehen. Er hätte ihr eine Pause gönnen müssen. Sie hatte das Recht darauf. Aber es waren nur noch ein paar Fragen. Sie hatte es vermieden, den kleinsten Anhaltspunkt zu geben, der es erlaubt hätte, ihre Angaben zu überprüfen. Keine Namen! Mit Ausnahme von Johnny Guitar und dem blödsinnigen Horsti. Kein Lokal benannt, keinen Fahrzeugtyp, von einem amtlichen Kennzeichen ganz zu schweigen. Es passte zu ihr. – Nur niemanden mit hineinziehen.
    Aber sie musste begreifen, dass es so nicht ging. Ein wenig mehr als das bisher Gelieferte brauchte er schon. Sonst müsste sich der Staatsanwalt zwangsläufig an die Stirn tippen und auf ein paar Ungereimtheiten verweisen. Auf die Tatsache zum Beispiel, dass Georg Frankenberg aus Frankfurt stammte. Er war dort geboren und aufgewachsen, hatte sein Elternhaus erst verlassen, als er zur Bundeswehr einberufen wurde. Anschließend hatte er sein Studium an der Universität in Köln aufgenommen.
    Buchholz in der Nordheide! Was mochte Frankenberg dorthin verschlagen haben? Dass ihn nur die Suche nach Abenteuern hinauf in den Norden getrieben haben sollte, war schwer vorstellbar. Rudolf Grovian ging davon aus, dass einer seiner Freunde aus Hamburg oder Umgebung stammte. Leider hatte er versäumt, von Meilhofer Auskünfte über die beiden anderen Bandmitglieder einzuholen. Er hatte zu dem Zeitpunkt nicht ahnen können, dass sie wichtig werden könnten.
    Er fragte nicht, ob sie sich imstande fühle, noch ein paar Fragen zu beantworten, sagte nur: «Der Kaffee wird Ihnen gut tun.»
    Die Brühe war ziemlich stark, das hatte er gesehen, als er den Becher voll goss. Deshalb hatte er nichts davon genommen. Starker Kaffee bekam seiner Galle auch nicht.
    Er schaltete das Aufnahmegerät wieder ein und begann – ahnungslos, in welcher Wunde er stocherte   –, mit dem einzig konkreten Punkt, den sie genannt hatte. «Sie haben Georg Frankenberg also vor fünf Jahren, genau am 16.   Mai kennen gelernt.»
    Sie schaute ihn über den Rand des Bechers mit ausdruckslosem Blick an und nickte. Er rechnete kurz. Zu dem Zeitpunkt war Frankenberg zweiundzwanzig gewesen und dürfte am Beginn seines Studiums gestanden haben. Das Sommersemester begann im März und ging bis Mitte Juli. Semesterferien waren im August und September. Blieben die Wochenenden. Sie hatte ausschließlich von Wochenenden gesprochen. Und nicht einmal von jedem.
    Ein junger Mann mit einer fatalen Neigung zu flotten Wagen hatte schnell ein paar hundert Kilometer zurückgelegt, und motorisiert dürfte Frankenberg während seiner Studienzeit gewesen sein. Nobles Elternhaus, das den Sprössling mit allem versorgte, was für ein standesgemäßes Leben notwendig war. Der Vater war ein Herr Professor! Facharzt für Neurologie und Unfallchirurgie. Seit sieben Jahren Chef in der eigenen Klinik, die sich auf plastische Chirurgie spezialisiert hatte. Da erwartete man, dass der Filius wusste, in welche Fußstapfen er zu treten hatte.
    Aber der Sohn hatte ein paar Flausen im Kopf,

Weitere Kostenlose Bücher