Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sünderin

Die Sünderin

Titel: Die Sünderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
Vom Netzwerk:
winzigen Herzens als auch die beiden Kammern waren betroffen. Hinzu kamen weitere Gefäßanomalien. Die linke Herzkammer war nicht vollständig ausgebildet, die Bauchaorta wies sackartige Ausbildungen, Aneurysmen, auf. Der betroffene Abschnitt war zu groß, um ihn komplett zu entfernen. Und die Ärzte vermuteten, dass noch weitere Gefäße betroffen waren.
    Margret war Krankenschwester. Niemand musste ihr sagen, dass der blaue Winzling keine Chance hatte – trotz der sechs Operationen im ersten halben Jahr. Einer der Ärzte hatte damals zu Wilhelm gesagt: «Was in der Brust Ihrer Tochter schlägt, ist kein Herz, das ist ein Schweizer Käse. Es sieht aus, als hätte es jemand mit einer Stricknadel bearbeitet.»
    Unglücklicherweise hatte Elsbeth diese Worte ebenfalls gehört, oder sie waren ihr von einer nichtsahnenden Krankenschwester zugetragen worden.
    Aber egal, was die Ärzte an Zeit vorgaben, Magdalena strafte sie Lügen. Sie nahm es sogar mit einer Leukämie auf und gewann ihren Kampf. Elsbeth führte das auf die Kraft der Gebete zurück und steigerte ihren Eifer so, dass es für jeden normal empfindenden Menschen unerträglich wurde.
    Margret hatte gewusst, wie es im Haus des Bruders zuging, und nichts getan, die Entfernung zum Vorwand genommen und die alte Mutter, mit der sie damals zusammenlebte. In den ersten Jahren nach Magdalenas Geburt hattenihre Besuche in Buchholz Seltenheitswert gehabt. Kurz reinschauen, Augen zu und wieder nach Hause.
    Dann starb ihre Mutter. Wilhelm kam zur Beerdigung nach Köln – allein, Elsbeth war nicht abkömmlich. Abends saßen sie zusammen, Margret und ihr Bruder, der dem Alter nach beinahe ihr Vater hätte sein können. Er druckste eine Weile herum, ehe er seine Bitte flüssig über die Lippen brachte. Ob sie nicht in den nächsten Wochen einmal zu Besuch kommen möchte. Und ob sie vielleicht einmal mit Elsbeth reden könne. Ein Gespräch von Frau zu Frau – über die Bedürfnisse eines Mannes. Es fiel ihm schwer, es auszusprechen. Dass er es überhaupt schaffte, wo sie sich so fremd waren, zeigte, dass er keinen Ausweg mehr wusste.
    «Ich habe schon daran gedacht, mich von ihr zu trennen. Aber das wäre verantwortungslos. Und ich will mich nicht drücken vor der Verantwortung. Nur kann es nicht so weitergehen, das halte ich nicht aus.»
    Nach einer Pause von mindestens zwei Minuten fügte er hinzu: «Seit Magdalenas Geburt schlafe ich im Kinderzimmer. Sie lässt mich nicht zu sich. Ich kann sagen, was ich will. Früher bin ich oft zu einer Frau gegangen, die Geld nahm. Ich wusste mir nicht anders zu helfen. Es war nicht richtig, ich weiß. Ich habe auch damit aufgehört vor einiger Zeit.»
    Seit Magdalenas Geburt, das waren zu dem Zeitpunkt acht Jahre. Wilhelm war neunundfünfzig, sah jedoch wesentlich jünger aus. Ein großer, kräftiger Mann war er. Und wie er sie anschaute, wie er murmelte: «Es geht ja nicht nur um mich, auch um Cora. Sie ist jetzt neun. Und sie wird älter, und   … Ich habe Angst um sie.» Da lief es Margret kalt den Rücken hinunter. Obwohl Wilhelm es bestimmt nicht so gemeint hatte, wie sie es im ersten Augenblick auffasste.
    Vierzehn Tage später machte sie sich auf den Weg und versuchte ihr Glück bei Elsbeth. Doch da war alle Mühe vergebens. Elsbeth hörte ihr mit genügsamer Miene und im Schoßgefalteten Händen zu und sagte: «Wenn ich die Kraft hätte für ein weiteres Kind, würde ich ihn zu mir lassen. Meine Zeit ist noch nicht abgelaufen, ich könnte noch empfangen. Und wie soll ich das schaffen? Nein! Wir müssen alle Opfer bringen. Wilhelm ist ein Mann. Er muss es tragen wie ein Mann.»
    Das hatte Wilhelm wohl tun müssen. Er war vermutlich wieder zu einer Frau gegangen, die Geld nahm. Genau wusste Margret es nicht. Es war nie mehr über die Sache gesprochen worden, nur noch ein paar Mal über Wilhelms Angst um Cora, die plötzlich ein paar Auffälligkeiten zeigte.
    Es war nicht angenehm gewesen, darüber nachzudenken, ob Wilhelm dem Wahnsinn, den Elsbeth mit Cora veranstaltete, die Krone aufsetzte. Der eigene Bruder! Und wenn er hundertmal nicht wusste, wohin mit seinen Bedürfnissen, er würde sich nicht an einem Kind vergreifen! Gewiss nicht an seiner Tochter!
    Margret konnte sich das nicht vorstellen und hatte mit halbem Herzen versucht, der Sache auf den Grund zu gehen. Sie war gegen eine Mauer gerannt, hatte schon damals die Erfahrung gemacht; was Cora nicht sagen wollte, bekam kein Mensch aus ihr heraus.
    Dass es irgendwann

Weitere Kostenlose Bücher