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Die Sünderin

Die Sünderin

Titel: Die Sünderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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Hinweis, dass er sich notgedrungen an andere halten musste, wenn sie nicht kooperierte. «Wie alt sind Ihre Eltern, Frau Bender?»
    Sie antwortete automatisch. «Mutter ist fünfundsechzig, Vater zehn Jahre älter.»
    In dem Moment schaltete sich Werner Hoß ein. «Warum haben Sie mir gesagt, Ihre Eltern seien tot?»
    Sekundenlang schien sie irritiert, starrte Hoß feindselig an und erklärte mit rauer Stimme: «Für mich sind sie das. Und Tote muss man in Frieden ruhen lassen. Oder sind Sie anderer Meinung?»
    «Nein», sagte Hoß. «Aber sie leben ja noch. Und wenn ich merke, dass ich in einem Punkt belogen wurde, werde ich auch bei anderen Punkten stutzig.»
    Im ersten Moment hatte Rudolf Grovian sich zwar jede Einmischung verbitten wollen. Dann ließ er Hoß erst einmal gewähren, mal sehen, worauf es hinauslief.
    «Sie haben uns sehr viel erzählt», sagte Hoß. «Und es war einiges dabei, was mir merkwürdig vorkommt. Dass sich zum Beispiel ein Schlagzeuger Johnny Guitar nennt und ein großer, kräftiger Mann Horsti.»
    Sie zuckte mit den Achseln. «Merkwürdig fand ich das nicht, nur lächerlich. Aber wer weiß schon, warum einer sich so nennt oder anders. Er wird seine Gründe gehabt haben.»
    «Mag sein», räumte Hoß ein. «Und über seine Gründe werden wir vermutlich nichts mehr erfahren. Kommen wir also wieder zu Ihren Gründen. Warum sollten wir glauben, Ihre Eltern seien tot? Könnte es sein, dass Ihre Eltern uns etwas ganz anderes erzählen als Sie?»
    Etwas wie ein Lächeln verzog ihr den Mund. «Meine Mutter wird Ihnen etwas aus der Bibel erzählen, sie ist verrückt.»
    «Aber Ihr Vater ist doch nicht verrückt», nahm Rudolf Grovian die Sache wieder in seine Hände. «Eben haben Sie uns erzählt, dass er ein sehr netter Mensch ist. Oder war das auch eine Lüge?»
    Sie schüttelte stumm den Kopf.
    «Warum regt es Sie denn auf, wenn ich sage, dass ich mit ihm reden möchte?»
    Sie atmete zitternd durch. «Weil ich nicht will, dass er sich aufregt. Er weiß nichts von Johnny. Er hat mich ein paar Mal gefragt damals, ich habe ihm nichts gesagt. Es war nicht leicht für ihn, als ich wieder heimkam. Er machte sich Vorwürfe. Einmal sagte er: Wir beide wären besser vor Jahren hier weggegangen. Dann wäre das nicht passiert. Aber Vater war immer ein verantwortungsbewusster Mann. Er wollte Mutter nicht allein lassen mit dem Erlöser und der büßenden Magdalena.»
     
    Für Rudolf Grovian hatte der Name keine Bedeutung. Er sah nur ein Zucken in ihrem Gesicht, als habe sie Schmerzen. Sie griff nach dem Kaffeebecher und führte ihn mit einer hastigen Bewegung zum Mund. Aber sie trank nicht, stellte ihn zurück auf den Schreibtisch und bat: «Könnten Sie bitte etwas Wasser zulaufen lassen? So ist er mir doch zu stark, davon wird mir übel.»
    «Es ist nur kaltes Wasser.»
    «Das macht nichts. Er ist sowieso zu heiß.»
    Der Schreck war ihr wie ein Blitz durchs Hirn geschossen. Magdalena! Es war noch einmal gut gegangen. Der Chef reagierte nicht, auch der andere hakte nicht nach, ob das mit den Geschwistern auch eine Lüge gewesen sei. Sie strich mit einer Hand über die Stirn, zupfte die Haare über der Narbe zurecht, betastete vorsichtig die blutige Kruste über dem rechten Auge, rieb mit einer Hand durch ihren Nacken und bewegte den Kopf. «Darf ich aufstehen und ein bisschen herumgehen? Ich bin steif vom Sitzen.»
    «Natürlich», sagte der Chef.
    Sie trat ans Fenster, schaute in die Dunkelheit und erkundigte sich mit abgewandtem Rücken. «Wie lange wird es noch dauern?»
    «Nicht mehr lange, es sind nur noch ein paar Fragen.»
    Rudolf Grovian sah sie nicken und hörte sie murmeln: «Das dachte ich mir.» Lauter und in bestimmtem Ton sagte sie: «Na schön, machen wir weiter. Haben Sie das Ding wieder eingeschaltet? Ich habe keine Lust, Ihnen morgen früh alles noch einmal zu erzählen.» Sie gewann ihre alte Form zurück, kratzbürstig wie zu Anfang. Dass er ihr Verhalten da noch als aggressiv bewertet hatte, schien ihm nun übertrieben formuliert. Sie zeigte keine Anzeichen mehr von Schwäche und Erschöpfung oder gar Verwirrung. Das allein zählte. Die nächste Frage. Wie hieß das Lokal, in dem sie Georg Frankenberg alias Horsti oder Johnny Guitar kennen lernte?
    Die Antwort kam nach einigem Zögern. «Es war im ‹Aladin›. So haben wir es genannt wegen der Lampen. Es hatte eigentlich keinen Namen. Ich meine, von montags bis freitags hatte es keinen. Da war es etwas für alte Leute. Und samstags

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