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Die Sünderin

Die Sünderin

Titel: Die Sünderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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sprang vom Stuhl auf, es half nicht viel. Der Körper kam zwar in die Höhe, das Hirn nicht. Das rutschte die letzten Stufen hinunter und tauchte mitten hinein in das zuckende Licht. Sie blinzelte heftig und bettelte: «Lassen Sie Margret in Ruhe, bitte. Sie hat nichts Schlimmes getan. Niemand hat etwas Schlimmes getan, nur ich. Ich bin eine Mörderin, glauben Sie mir. Ich habe ein unschuldiges Kind getötet. Das ist die Wahrheit. Und Frankie! Ihn natürlich auch. Aber ich musste ihn doch umbringen, weil er   …»
    Sie geriet ins Stammeln, gestikulierte hektisch und hilflos mit beiden Händen, als könne sie auf diese Weise den Wahrheitsgehalt ihrer Behauptungen unterstreichen und ihn zwingen, ihr noch ein paar Minuten seiner Zeit zu widmen. «Er hat   … Er wusste nicht, wie er es machen muss. Ich habeihm gesagt, er muss aufpassen. Er hat nicht auf mich gehört. Ich habe ihm gesagt, er muss aufhören. Er hat sich nicht darum gekümmert. Wissen Sie, was er getan hat?»
    Natürlich wusste Rudolf Grovian es nicht, aber er konnte es sich lebhaft vorstellen. Anscheinend versuchte sie, ihn mit ihrem Gestammel erneut auf Schwangerschaft und Fehlgeburt festzunageln. Dazu passte jedoch nicht, was danach kam.
    «Er hat sich auf sie geworfen», keuchte sie atemlos und heftig blinzelnd. «Er hat sie geküsst. Und er hat sie geschlagen. Immer abwechselnd geküsst und geschlagen. Und dabei schrie er: Amen! Amen! Amen! Er war verrückt, ich nicht. Er hat so lange auf sie eingeschlagen, bis sie tot war. Ich habe gehört, wie ihre Rippen brachen. Es war furchtbar, es war so grauenhaft. Ich wollte ihr helfen, aber sie haben mich festgehalten. Der eine lag auf mir, der andere hielt meinen Kopf fest und steckte mir sein Ding in den Mund. Ich habe ihn gebissen, und   …»
    Das Licht flackerte noch einmal, ehe es erlosch. Und sie wusste nicht weiter. Der Chef starrte sie an. Der Mann im Sportanzug sprang auf und mit zwei Sätzen auf die Tür zu. Er verließ den Raum. Das Aufnahmegerät lief noch, hatte jedes ihrer Worte aufgezeichnet, hielt auch den Rest fest.
    «Rufen Sie ihn zurück!», schrie sie. «Es darf jetzt keiner weggehen. Lassen Sie mich nicht allein. Bitte! Das halte ich nicht aus. Helfen Sie mir! Um Gottes willen, helfen Sie mir. Holen Sie mich hier raus. Ich kann nicht im Keller sein. Ich sehe nichts mehr. Schalten Sie das Licht wieder ein. So helfen Sie mir doch!»
    Alles verwischte sich. Der Chef stand nur da und rührte sich nicht. Er hätte etwas tun müssen. Irgendetwas. Ihren Arm nehmen, ihre Hand halten, sie zurück zur Treppe führen. Oder wenigstens das Licht wieder einschalten, damit sie allein zur Treppe zurückfand. Es war so dunkel, nur ein paar grüne, blaue, rote und gelbe Blitze zuckten noch durch denRaum und zerrten Bruchstücke aus der Finsternis. «Loslas sen », keuchte sie. «Geh runter von ihr, lass sie in Ruhe. Aufhören! Hört auf, ihr Schweine! Lasst mich los!»
    Rudolf Grovian konnte nicht reagieren, er war zu schockiert von seinem Begreifen. Was sie da von sich gab, klang nach Vergewaltigung, und was sie zuvor gestammelt hatte, klang nach Mord. Und sie hatte ein zweites Mädchen erwähnt, das dumm genug gewesen war, sich ihnen anzuschließen. Es war wohl doch nicht so aus der Luft gegriffen, wie er sekundenlang angenommen hatte.
    Er sah, wie sie mit einer Hand vor ihrem Unterleib fuchtelte und mit der anderen vor ihrem Gesicht, als wolle sie etwas von sich wegschieben. Dabei würgte sie. Ohne Zweifel erlebte sie gerade noch einmal, was sie ihm zu erklären versuchte.
    Er sah, wie sie einen Arm hochriss, als wolle sie sich vor etwas schützen. Wie sie mit beiden Händen an den Kopf griff und schrie: «Nein!» Er sah, dass sie schwankte, dass ihr verzerrtes, aufgequollenes Gesicht plötzlich erschlaffte. Aber er war nicht schnell genug bei ihr. Es waren nur zwei Schritte, und trotzdem lag sie auf dem Fußboden, bevor er sie erreichte und ihren Sturz auffangen konnte.
    Es war zu plötzlich gekommen. Im ersten Moment konnte er gar nicht reagieren. Dann schlug er mit der Faust gegen sein Bein. Am liebsten hätte er sich auch gegen den Kopf geschlagen, sich in den Hintern getreten, wenn er ihn nur hätte erreichen können. Das war sein Albtraum. Keinen Arzt gerufen, trotz der Schlagspuren in ihrem Gesicht, trotz der Aussage eines jungen Arztes: «Ich dachte, er schlägt sie tot.»
    Hirnblutung, schoss es ihm durch den Kopf. Und endlich kniete er neben ihr und hob ihren Kopf an. Dass er zu

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