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Die Sünderin

Die Sünderin

Titel: Die Sünderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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nicht in einer Klinik   …»
    Margret Rosch lachte unfroh und unterbrach ihn damit. «Sie sagte! Fragen Sie nicht Cora. Sie hat diese Sache völlig verdrängt. Wissen Sie, was ein Trauma ist?»
    Er dachte an eine Mauer im Hirn, die er mit seinen Fragen eingetreten hatte, und nickte kurz. Und Margret Rosch meinte: «Gut, dann fragen Sie Ihren Verstand. Ich kenne eine Menge Ärzte, auch engagierte Ärzte. Aber es ist keiner dabei, der ein schwer verletztes Mädchen ohne Bewusstsein vom Straßenrand aufhebt und mit zu sich nach Hause nimmt. Das wäre verantwortungslos. Ich weiß nicht, warum sie Ihnen das so erzählt hat. Vielleicht wünscht sie sich, es wäre einer für sie da gewesen. Einer, der wirklich einmal etwas für sie tut. Sie war immer ziemlich auf sich allein gestellt.»
    Das klang logisch. Die nächste Frage. Er hatte die Bemerkung des Arztes über die zerstochenen Arme nicht vergessen. «Hatte Ihre Nichte jemals mit Drogen zu tun?»
    Es vergingen ein paar Sekunden, ehe Margret Rosch zögernd nickte. «Mit Heroin, aber nur kurz. Das muss in der Zeit passiert sein. Ich nehme an, Johnny hat es ihr gegeben, um sie sich gefügig zu machen. Selbst gespritzt hat sie auf keinen Fall. Sie wusste nicht, wie man mit dem Zeug umgeht.»
    Margret Rosch seufzte. «Als sie zu mir kam, war sie in einem elenden Zustand. Sie meinte, es seien Entzugserscheinungen, aber damit hatte es nichts zu tun. Sie hatte grauenhafte Albträume. Immer kurz vor zwei in der Nacht. Man konnte die Uhr danach stellen. Ich gab ihr regelmäßig Resedorm. Ebenso gut hätte ich ihr Traubenzucker geben können. Pünktlich um fünf Minuten vor zwei saß sie auf der Couch, schlug um sich und schrie sich die Lunge aus dem Leib: Aufhören! Hört auf, ihr Schweine! Sie war nicht wach und auch nicht wach zu bekommen. Wenn ich sie ansprach, stammelte sie etwas von einem Keller, von Würmern, Tigern und Ziegenböcken.»
    Rudolf Grovian hörte es mit Interesse und fühlte weitere Steine von seinem Herzen purzeln. Böcki und Tiger, die Namen hatte er ihrer Tante nicht genannt. Und es war eine Sache,eine junge Frau mit Fragen in den Wahnsinn zu treiben. Es war eine ganz andere Sache, diese junge Frau mit Fragen an einen Punkt zu bringen, an dem Erinnerungen aufbrachen, die letztendlich ein Motiv lieferten.
    «Ich habe sie mehrfach aufgefordert, zu einem Arzt zu gehen», fuhr ihre Tante fort. «Das lehnte sie ab, und zwingen mochte ich sie nicht. Aber sie brauchte dringend Hilfe. Ich habe ihr schließlich Psychopharmaka ins Essen gemischt. Nach ein paar Monaten ging es ihr besser, sie schlief nachts durch und erholte sich auch körperlich.»
    Margret Rosch schwieg ein paar Sekunden lang und wollte dann wissen: «Was ich Ihnen hier erzähle, das erfährt sie doch nicht, oder? Wenn Sie ihr sagen, dass ich Sie über das Heroin informiert habe, macht Cora die Tür zu. Dafür garantiere ich. Nichts ist ihr wichtiger, als das unter Verschluss zu halten. Am besten wäre, wenn Sie es gar nicht erwähnen. Es ist doch auch nicht nötig, ihr das noch einmal vorzuhalten. Es ist lange her. Sie hat Ihnen bereits eine Menge erzählt, wahrscheinlich den Anfang der Geschichte. Johnny wird sich ja nicht gleich wie ein Tier benommen haben. Vielleicht kann ich sie dazu bewegen, Ihnen auch noch etwas vom Ende zu erzählen. Ich weiß nicht, an wie viel oder ob sie sich überhaupt erinnert. Aber es wäre einen Versuch wert. Erlauben Sie mir, mit ihr zu sprechen?»
    Er nickte, vertröstete sie erneut auf später und tastete sich langsam voran. Elternhaus, Kindheit. Er wollte nur eine Bestätigung für die fanatisch religiöse Mutter und den Vater, der dem Wahnsinn nicht hatte die Stirn bieten können. Vielleicht noch ein wenig zu dem, was ihm im Hinterkopf tickte. Kindesmissbrauch?
    Doch kaum hatte er die ersten Fragen zu Cora Benders Kindheit gestellt, ging mit ihrer Tante eine seltsame Verwandlung vor. Die Bereitwilligkeit und der Eifer lösten sich in Wohlgefallen auf.
    «Dazu kann ich nicht viel sagen. Ich hatte kaum Kontakt zur Familie meines Bruders. Ich konnte mich mit den Verrücktheiten meiner Schwägerin nicht auseinander setzen. Wenn ich sie besuchte, machte Cora auf mich einen normalen Eindruck. Meine Schwägerin ließ ihr nicht viel Freiraum. Aber Cora schaffte es, sich gegen ihre Mutter zu behaupten. Manch ein Kind wäre unter dem ständigen Druck zerbrochen, Cora dagegen   … wie soll ich das ausdrücken? Sie wuchs daran. Sie war immer sehr reif für ihr Alter, sehr

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