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Die Sünderin

Die Sünderin

Titel: Die Sünderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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hatte, begriff ich drei Wochen später.
    Da saßen wir sonntags beim Essen, und plötzlich sagte er zu Mutter: «Ich trage gleich mein Bettzeug rüber. Hier wird jetzt getauscht. Das sind ja keine Zustände so.»
    Mutter war natürlich nicht einverstanden. Und er schrie sie an: «Worüber regst du dich noch auf nach all den Jahren?! Du bildest dir doch nicht etwa ein, dass mich dein schrumpliger Hintern noch reizen könnte? Da mach dir nur keine Sorgen. Mir ist ein saftiges Stück Fleisch lieber. Und so eins möchte ich nicht Nacht für Nacht in greifbarer Nähe haben. Ich möchte nicht derjenige sein, der das zweite Lamm opfert. Wenn das hier so weitergeht, kann ich für nichts garantieren. Und jetzt komm mir nicht mit Magdalena. Wenn es da mal Ernst wird, machst du auch nichts mehr, und wenn du hundertmal danebenliegst.»
    An dem Abend musste er noch einmal bei mir schlafen. Mutter ging mit Magdalena etwas früher als üblich hinauf und schloss die Zimmertür von innen ab. Am nächsten Tag nahm Vater ihr den Schlüssel weg und trug sein Bettzeug hinüber.
    Magdalena kam zu mir ins Zimmer. Wochenlang war deswegen dicke Luft im Haus. Dann begriff Mutter endlich, dass ihre Keuschheit nicht in Gefahr war und ich mit Magdalena zurechtkam. In den ersten Nächten hatte ich zwar Angst. Ich war dieses komische Atmen nicht gewohnt. Magdalena lachte mich aus. «So atme ich immer. Es fällt dir tagsüber nur nicht auf.»
    Nach ein paar Wochen fand ich es toll, dass sie bei mir war. Sie genoss es auch. Meist brachte ich sie nach dem Abendessen hinauf. Sie ließ sich lieber von mir helfen als von Mutter. Tragen konnte ich sie nicht, das hatte Mutter auch schon lange nicht mehr gekonnt. Aber wenn man sehr langsam mit ihr ging, reichte es aus, wenn man sie gut stützte. Sogar die Treppe schaffte sie, sie brauchte nur nach jeder Stufe eine Pause.
    Ich hielt sie fest, wenn sie sich die Zähne putzte. Das wollte sie lieber allein tun. Waschen musste ich sie dann. In der Wanne baden durfte sie nicht mehr. Früher hatte Mutter sie reingesetzt und auch wieder rausgehoben. Als sie größer wurde, hatte Vater einen Stuhl gekauft mit einem großen Loch in der Sitzfläche und einer Schüssel darunter. Das ging gut so. Man musste nur nachher das Bad aufwischen.
    Anfangs war ich ziemlich ungeschickt. Da schrubbte ich an ihr genauso rum wie an mir. Nur hatte sie im Gegensatz zu mir eine sehr empfindliche Haut vom vielen Liegen. Mit den kratzigen Waschlappen tat ich ihr weh.
    «Mach es lieber mit den Händen», bat sie. «Dann nimm den Schwamm, um die Seife abzuspülen. Und mit dem Handtuch nur tupfen. Mutter hat das nie begriffen. Aber vielleicht hat sie auch gedacht, wenn sie mich beim Waschen kratzt, trage ich wenigstens auf diese Weise zur allgemeinen Buße bei.»
    Nach dem Waschen wurde sie eingecremt, damit sie nicht wund lag. Dann das Nachthemd über und ab ins Bett mit ihr. Wenn in der Küche nichts mehr zu tun war, blieb ich bei ihr. Vor dem Einschlafen erzählten wir uns immer eine Menge.
    Und im Bett, mit der geschlossenen Tür, konnte ich anders reden. Und Magdalena war die Einzige, mit der ich wirklich offen über alles sprechen konnte. Nicht übers Klauen, aber über diese Sachen, über den Ekel vor Vater und vor mir selbst. Dass ich nie einen Freund haben wollte.
    Obwohl sie ein Jahr jünger war als ich, hatte sie eine andere Einstellung dazu. «Warte mal ab», sagte sie. «Wenn du noch ein paar Pfund runter hast, vergeht der eine Ekel von allein. Und der andere; das kannst du nicht vergleichen. Vor einem alten Mann ekelt es mich auch. Warum meinst du, lasse ich mich von Vater nicht anfassen? Das fehlt mir noch, dass er an mir rumfummelt. Er würde mich bestimmt in die Wanne setzen und rausheben, wenn du ihn darum bittest.Aber da kann ich nur sagen: Vielen herzlichen Dank. Mit einem jungen Mann ist das ganz anders. Das merke ich bei den Ärzten. Es ist ein großer Unterschied, wie einer aussieht und wie sich seine Hände anfühlen. Am liebsten sind mir die Studenten. Die lassen sie oft scharenweise an mir herummachen. Für die bin ich das Schauobjekt, das medizinische Wunder. Ich bin das halbe Herz mit dem inoperablen Aortenaneurysma, das wider alle Erwartungen seit Jahren hält. Wer weiß, vielleicht hat das Ding in meinem Bauch längst die Funktion der Pumpe übernommen.»
    Sie lachte leise. «Da stehen die Jungs dann und wissen nicht, wie sie das Stethoskop ansetzen sollen. Viel mehr lassen sie die armen Kerle leider nicht

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