Die Sumpfloch-Saga Bd. 3 - Nixengold und Finsterblau
beschäftigt. Sie brauchten mehr Pflege als jede andere Blume im Garten, dafür waren die Empfindlichen für ihre unvergleichliche Schönheit in ganz Amuylett bekannt. Zu ihrem Schutz waren sie von vielfachen Zaubern umgeben, die Schädlinge, Eindringlinge, Diebe und andere Katastrophen abwehren sollten. Rackiné hätte diese Blumen niemals anknabbern können, selbst wenn er gewollt hätte, was aber nichts daran änderte, dass dort, wo die Unvergessenen Verwegenen heute Morgen noch gestanden hatten, nur noch Stümpfe der Stängel aus der Erde ragten. Jemand hatte das gesamte Beet geplündert und die wertvollen Blumen gestohlen. Ein schwarzes Stück Erde klaffte jetzt wie ein Loch in all der Pracht des übrigen Gartens. Mehrere Lehrer untersuchten den Tatort, allen voran Grohann, dessen tiefe Stimme immer wieder zur Ruhe gemahnte und davor warnte, die wenigen Spuren, die es gab, durch Übereifer und unkontrollierte Zauberei-Ausbrüche zu verwischen.
Als die Mädchen in gebührendem Abstand um den Tatort herumschlichen, drehte sich Grohann ganz plötzlich um. Seine braunen Steinbockaugen musterten die Gruppe von Mädchen sehr aufmerksam. Sein Blick blieb kurz an Scarlett hängen, die mit gemischten Gefühlen zurückschaute. Wenn es stimmte, was Hanns behauptet hatte, dann wusste Grohann über sie Bescheid!
So schnell, wie Grohann zu ihnen hergesehen hatte, wandte er sich auch wieder ab. Thuna blieb kurz stehen, in der Hoffnung, dass Lars aufschaute und sie ihm zuwinken oder wenigstens zunicken konnte, doch er war zu vertieft in seinen Kummer, um sie zu bemerken. Sie verstand das. Die Unvergessenen Verwegenen waren sein ganzer Stolz gewesen. Er betreute sie schon seit zwei Jahren. Thuna hoffte, dass die Knollen unbeschädigt geblieben waren, damit die Blumen im nächsten Frühling wieder Blätter und Blüten treiben würden.
„Wer hat das getan?“, fragte Maria, als sie außer Hörweite gekommen waren. „Der General?“
„Wozu soll ein spukender General denn Blumen klauen?“, fragte Lisandra. „Das wäre echt das Letzte, wenn sie ihm das in die Schuhe schieben wollten!“
„Der arme, grausame General“, sagte Thuna. „Unverstanden und verleumdet!“
„Ich glaube nicht, dass es Hanns war“, überlegte Scarlett laut. „Obwohl er es wahrscheinlich schaffen würde, die Zauber außer Kraft zu setzen. Aber Blumenbeete plündern, das ist nicht sein Stil.“
„Wer soll es denn sonst gewesen sein?“, fragte Lisandra. „Vielleicht hat Hanns eine Freundin oben in Fortinbrack, der er eine Freude machen wollte?“
„Er hat keine Freundin, er mag nur Scarlett!“, widersprach Maria.
„Die hat ihm aber einen Korb gegeben.“
„Da hätte er viel zu tun, wenn er eine Wagenladung mit Unvergessenen Verwegenen nach Fortinbrack bringen müsste“, sagte Scarlett. „Fällt ja auch nicht weiter auf!“
Sie kamen bald in Sichtweite der Glastür, die ins Innere des Gebäudes führte. Im Flur brannten schon die Lampen, was sehr gemütlich aussah.
„Da steht jemand!“, sagte Lisandra. „Und dieser Jemand …“
Sie hielt kurz inne und gab dann einen lauten Jubelschrei von sich.
„Dieser Jemand kann meine Uhr reparieren!“
Lisandra wollte losrennen, wurde aber von Thuna am Arm gepackt und zurückgehalten.
„Hey, Lissi“, sagte Thuna eindringlich. „Deine Uhr kann noch ein bisschen warten … meinst du nicht auch?“
Lisandra wollte erst protestieren, doch ein Blick auf Scarlett genügte, um sie eines Besseren zu belehren. Deren Gesicht leuchtete nämlich vor freudiger Überraschung wie eine Unvergessene Verwegene, als sie erkannte, dass es Gerald war, der da gerade aus der Glastür trat. Er sah so gut aus wie immer, machte aber einen erschöpften Eindruck. Das glatte, braune Haar war nicht so ordentlich gekämmt wie sonst und statt der lässigen Sorte Anzüge, die er normalerweise trug, hatte er solche Expeditionsklamotten an, mit denen man für gewöhnlich durch tropische Urwälder stiefelt. Dass die Hose an einer Stelle aufgerissen war, machte diese Aufmachung noch rätselhafter, aber sie tat Geralds gutem Aussehen keinen Abbruch. Im Gegenteil, er sah verwegener aus als sonst.
Obwohl Lisandra bockte, wurde sie von Thuna und Maria in eine andere Richtung gezogen. Sie würden den Hintereingang nehmen, den bei den Gewächshäusern.
„Damit die beiden ihre Ruhe vor uns haben“, erklärte Maria.
„Aber ich will wissen, wo er herkommt! Vielleicht weiß er auch, wo Viego steckt! Viego und Gangwolf sind
Weitere Kostenlose Bücher