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Die Tänzerin im Schnee - Roman

Die Tänzerin im Schnee - Roman

Titel: Die Tänzerin im Schnee - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Augenblick, dann sagt er: »Weißt du, was das ist? Das ist der Klang der Unermesslichkeit.«
    Wie sie dort angenehm erschöpft in Viktors Armen liegt und zum sternenübersäten Himmel aufblickt, spürt Nina – spürt sie körperlich – die Unermesslichkeit der Welt um sich her, wie sie sich weiter und weiter in die Ferne erstreckt und wie Viktor, sie und Gersch und Vera nur ein winziger Teil davon sind. Sie erlebt zum ersten Mal, wiesehr man sich von seinem eigenen Leben entfernen kann und wie angenehm diese Distanz ist. Die enorme Weite des Weltalls, die Fülle der Möglichkeiten … Da spürt sie es, einen Hauch nur, eine Ahnung: die Illusion vollkommener Freiheit.

Zweites Buch

 
    Los 50
    Diadem. Strass und Swarovski-Kristall, ca. 4,5 cm hoch, Ø ca. 14 cm,
Sterling versilbert, Kämme an beiden Enden. 800 –1000 Dollar

KAPITEL 9
    I n seinem Postfach im Institut für Fremdsprachen fand Grigori ein einzelnes gefaltetes Blatt Papier.
    Sein Herz machte einen kleinen Satz. Konnte das die lang ersehnte Antwort sein? Nein, nein, natürlich nicht, es war lächerlich, auch nur darauf zu hoffen. Selbst wenn Nina Rewskaja sich dazu entschließen sollte, ihm zu schreiben, würde ihr Brief sicher nicht so aussehen, offen, ohne einen Umschlag. Diese zerquetschte Spinne … Es könnte eine Nachricht von Evelyn sein, eine Einladung, irgendein netter Vorschlag. Sie hatte den größten Teil der letzten Woche auf einer Konferenz außerhalb der Stadt verbracht, ihm von dort aber kurze, im Plauderton verfasste E-Mails geschickt. Grigori fiel ein, dass sie am vorigen Abend zurückgekommen sein wollte.
    Er faltete das Papier auseinander und sah, dass es von Zoltan stammte. Eine weitere Kopie aus seinem Tagebuch. Februar 1962. Zoltan musste gerade sechsundzwanzig Jahre alt gewesen sein; vielleicht hatte er sich damals, nach sechs Jahren Aufenthalt, endlich in London heimisch gefühlt. Grigori überlegte, ob Zoltan sich beim erneuten Lesen dieser Seiten danach sehnte, noch einmal der begehrte junge Mann von damals zu sein und nicht der exzentrische Alte, der er geworden war. Zoltans dicht gedrängte, schräge, vierzig Jahre alte Handschrift stürmte vorwärts:
     
    Donnerstag. Grau und verregnet, aber mir gefällt das, ja wirklich, ich finde, es drückt all die Schönheit und Traurigkeit der menschlichen Existenz aus, wie wir in so großer Anzahl in unseren Mänteln dahintrotten, uns unserer selbst und unseres Platzes in dieser regnerischen Welt bewusst und zugleich auch wieder nicht. War bei einem Mittagessen, das ein Mitglied des Oberhauses veranstaltet hat. Er hält sich für einen Dichter – und wie könnte ich ihm da widersprechen, obwohl ich schon wünschte, er würde weniger Alliterationen verwenden. Samuel war mit seiner neuesten Model-Freundin da. Ich dachte erst, ich würde
sie kennen, bis mir klar wurde, dass ich ihr Gesicht schon auf unzähligen Anzeigen und Titelseiten von Zeitschriften gesehen hatte, ohne je mit ihr gesprochen zu haben. Um mich herum waren tatsächlich lauter Leute, die man schon mal irgendwo gesehen hat: Abgeordnete und der blonde Sänger, dessen Namen ich mir nie merken kann … Irgendetwas schwer Erklärbares überkam mich, eine Art Sehnsucht nach der feuchten Luft draußen; jedenfalls hatte ich das Bedürfnis, mich abzusondern, weil ich sonst an Wahrheit und Authentizität verlieren würde. Also verabschiedete ich mich früh und womöglich etwas unhöflich, doch mit dem unbezahlbaren Gefühl von plötzlicher großer Freiheit. Ich war schon auf dem Weg nach draußen, da traf ich den Schmetterling persönlich, Nina Rewskaja, mit ihrem hübschen, spitzen Gesicht und dem dunklen Haar. Sie umgibt eine Traurigkeit, die ich ausgesprochen schön finde, irgendetwas direkt unter der Oberfläche. Sie muss mindestens vierzig sein, aber ihr Alter verraten nur ihre Hände – geschwollene Fingerknöchel, die aussehen, als würden sie ihr Schmerzen bereiten – und ihre Augen, die herrlich grün sind, hell und wach, und doch ebenso voller Schmerz. Zu meiner Überraschung war sie mir zur Garderobe gefolgt. Als ich mich mit meinem Mantel in der Hand umdrehte, stand sie plötzlich vor mir, in einem grünen Wollkleid mit Pelzkragen. »Ich wollte Ihnen etwas erzählen«, sagte sie. »Als wir auf der Weihnachtsfeier miteinander gesprochen haben, als Sie mich nach meinem Mann und seinen Gedichten fragten: Ich wollte, dass Sie verstehen, warum ich so denke.«
    Sie nahm mit einer einzigen Bewegung in einer steifen

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