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Die Tänzerin im Schnee - Roman

Die Tänzerin im Schnee - Roman

Titel: Die Tänzerin im Schnee - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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weniger hochmütig und weniger selbstsicher aus als sonst.
    Er grüßt sie, ohne zu lächeln: »Nina Timofejewna, guten Nachmittag.«
    Wie besitzergreifend er Veras Hand geküsst hat …
    »Ich nehme an, du weißt noch nicht, dass sie tot ist.«
    »Wer ist tot?«
    Als sie es ihm erzählt, löst sich sein Unterkiefer, und er wird kreidebleich. Einen Augenblick glaubt sie, er könne in Ohnmacht fallen. »Nein, das ist unmöglich. Wie kann das sein? Ich … ich wusste ja nicht einmal, dass sie schwanger war.« Er macht eine Handbewegung, die Nina noch nie zuvor bei irgendjemandem gesehen hat, er zieht leicht die Haut über seinen Wangen, direkt unter den Augen nach unten, wie um besser sehen zu können. Kleine hinabweisende Dreieckeaus Haut; sein Mund steht offen. Er lässt los, schüttelt den Kopf, als würde ihm das beim Verstehen helfen. »Es ist so lange her, seit ich sie das letzte Mal gesehen habe. Sie und ich, wir sind uns recht nahe gekommen. Aber dann sagte sie, sie könne sich nicht mehr mit mir treffen.« Tiefe Traurigkeit zeigt sich in seinem Gesicht.
    »Tja«, erwidert Nina mit fester Stimme, »wie es aussieht, hat sie sich mit einem anderen eingelassen.«
    Serge sieht sie mit zusammengekniffenen Augen an. »Oh.« Ein angedeutetes, rasches Nicken, das Verstehen signalisiert. »Ich hätte es wissen müssen, als ich die beiden im Sommer zusammen gesehen habe. Du warst nicht da. Du –«
    »Meine Mutter war krank. Ich musste bei ihr sein.« Als wäre es ihre Schuld, als hätte Vera jemals Serge lieben können. Erst jetzt, als sie Serges begreifendes Nicken und seine zu schmalen Schlitzen gepressten Augen sieht, hinter denen sein Hirn fieberhaft arbeitet, kommt Nina auf den Gedanken, dass Vera ihr wohl absichtlich erzählt hat, dass Mutter krank sei, um sie loszuwerden. Um mit Viktor allein zu sein.
    »Ich habe es mit eigenen Augen gesehen«, fügt er hinzu und spannt ärgerlich den Kiefer an. »Aber ich dachte nur – ich schätze, ich wollte es einfach nicht wahrhaben. Der Mistkerl. Tut mir leid, Nina. Und jetzt ist sie tot.«
    »Sie ist tot«, wiederholt Nina, um sich selbst zu überzeugen, klingt dabei aber nur wütend.
    »Mistkerl«, ruft Serge noch einmal. »Seine Schuld.« Angespannt und zornig schüttelt er den Kopf über sich selbst. »Ich hätte es wissen müssen. Er ist damals in der Datscha so liebevoll mit ihr umgegangen, es war ganz offensichtlich, und trotzdem habe ich nicht – Das liegt daran, wie er sich verhalten hat, er schien einfach nichts … verstecken zu wollen.«
    Und dabei hat er ja sogar noch mehr zu verstecken.
Boshafter Gedanke. Für den Bruchteil einer Sekunde erwägt Nina, ihn laut auszusprechen. Denn im Augenblick ist Boshaftigkeit alles, was sie empfindet. Madame, hinter der dünnen Sperrholztür … Obwohl sie sich zurückhält, glaubt Nina, dass es schon zu spät ist, dass sie es ihm bereitsklar und deutlich mitgeteilt hat. Dass sie es in diesem Augenblick durch ihre Wut mitteilt.
    Serge zieht die Augenbrauen nur minimal nach oben, als würde er ihre Gedanken lesen, und Nina wird auf der Stelle schlecht. Es fühlt sich schon jetzt ganz falsch an, wie ein schreckliches Versehen. Sobald Serge davongeeilt ist, biegt sie in eine Seitengasse ein und übergibt sich. Sie zittert immer noch, als sie sich den Mund am Ärmel abwischt.
     
    Als sie ihn mit den Worten »Ich freue mich sehr, dich zu sehen« begrüßte, musste er unwillkürlich lächeln. Grigori hatte sie berühren wollen, zumindest ihre Hand schütteln, aber sie schien wegen der Neuigkeiten, die sie für ihn hatte, irgendwie angespannt – oder vielleicht auch nur aufgeregt. Sie ging sicher, dass sie einen guten halben Meter voneinander entfernt standen, bevor sie die Fax-Seite vom Schreibtisch nahm und ihm hinreichte. »Denkst du, das ist es, wonach wir suchen?«
    »Mal schauen. In den Spalten steht ›Datum‹, ›Artikel‹, ›Preis‹ und ›Käufer‹.«
    »Klingt richtig.«
    Er begann mit dem obersten Eintrag. »Datum: 7. Juni 1882.« Er sah vom Blatt auf und erläuterte: »Das wäre nach dem vorrevolutionären russisch-orthodoxen Kalender. Also zwölf Tage später nach unserem …« Er wurde plötzlich nervös, räusperte sich und fuhr dann fort: »Armband, fünf Steine, jeder mit einem Insekt und dreifach gewundener 56-Zolotnik-Goldfassung.«
    »Das ist es«, warf Drew ein. »Das muss es sein.«
    Er las den Preis laut vor und bemerkte, dass sein Herz dabei wild klopfte. »Als Nächstes steht da:

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