Die Tätowierung
«, fragte sie.
Es herrschte ein langes Sch w eigen. Irene ver m utete, dass Tom erst wach werden musste. Schlie ß lich hö r te sie wieder seine undeutliche Stim m e: »Ich habe eine Polaroidka m era. Reicht das, wenn ich die Bilder m it der m ache ? «
»Ich weiß nicht. Viell e icht. W i r können sie dann ja im m er noch vergrößern lassen.«
»Man sagt nicht ›doing bigger the pictures‹, sondern ›enlarge the pictures‹.«
Das war das erste Mal, dass Tom ihr holpriges Englisch korri g i erte. Sie war auch nic h t gerade ein Morgen m ensch und hatte ein gewisses Verständnis dafür, dass er sauer war, weil sie ihn geweckt hatt e . Aber schließlich war es bereits halb zwei am Nach m ittag. Als hätte e r be m erkt, wie unfreundlich er geklungen hatte, beeilte er sich zu sagen: »Obwohl ich je m anden kenne, der richtige Kopien von den Bildern m achen kann. Aber das dauert länger. Dann können Sie sie auch gleich vergrößert haben.«
»Das wäre wirklich nett von Ihnen. Darf ich vorschlagen, dass Sie die P olar o idbilder gleich m a chen und heute noch losschicken. Die Vergrößerungen können Sie dann ja später nachsenden.«
» W ird ge m a cht.«
Irene beschloss, noch eine letzte F rage zu stelle n : »Ihnen ist n i cht z u f ällig in der Zwisc h enzeit der Na m e des Fotografen oder der des anderen Modells eingefallen ? «
»Nein. Marcus hat nie irgendwelche Na m en genannt. Die Bilder hatte er b e i seinem let z ten Besuch dabei. Sie waren bereits gerah m t. Er nahm die beiden Bilder, die ich an der W and hängen hatte, einfach herunter und ersetzte sie durch s eine. Er s a gte, dass sie dort hängen sollten, solange er weg sei. Da m it ich ihn nicht vergessen würde.«
Si e wa r ers t aunt , p l ötzl i c h ein e M ä nnerst i mm e i m Hintergrun d z u hören . Si e bek a m mit , wi e To m verärger t »soon« f lüsterte . We n hatt e e r be i sich ? Ei n v a ge s G e füh l der Unruh e erg r if f sie . Viel l eich t schw a n g die s au c h i n ihrer St i mm e m i t , al s si e s a gte : »Si e sin d doc h vo r sichtig ? «
»Natürlich. Sie doch auch ? «
Sie verabschiedeten sich voneinander und versicherten sich erneut, dass sie den Kontakt halten würden. Als sie ihr Handy weggesteckt hatte, gelang es ihr nicht m ehr, ihre vage Unruhe abzuschütteln.
Die Zeit bi s vier ver b rachte sie da m it, ihren Bericht f ertig zu ti p pen. Mit e i n em Gefühl der Befreiung stellte sie dann den C o m puter ab. Stillsitzen war sie nicht gewohnt; inzwischen war sie ga n z steif. Es k nackte im Hals und in den Achseln, als sie ein paar Stretchingübungen m achte. Sie nahm sich eine richtig ausgedehnte Joggingrunde vor, um sich wieder ein wenig in Schwung zu bringen. Auch die gute Kost in Kopenhagen m achte sich bemerkbar. Sie hatte zu g e n o m m en. Ihre Jeans war am Morgen ric h tig eng gesessen. In zwei Tagen würde sie ihre Tage bekom m en, vielleic h t war es auch das. Ungeachtet der Ursachen musste sie am W ochenende wie d er m al intensiv tr a i ni e ren.
Auf d e m Weg in Hannus Zimmer holte sie noch zwei Tassen Kaffee. Als sie die T ü r m it dem Fuß öffnete, sah sie ei n en M ann am Schrei b tisch s i tzen. Aber es war nicht Hannu, sondern Hans Pahliss. Irene erkannte ihn von den Fotos in Marcus’ Album wieder. Er sah von den Papieren auf, in denen er gelesen hatte.
Mit seinen braunen Augen sah er sie über seine Lesebrille hinweg forschend an. Das etwas zu lange Haar hing ihm zerzau s t in d i e Stirn, als wäre er sich immer wieder m it der Hand hindurchgefahren. Sein Gesicht war bleich, m it scharfen Gesichtszügen und deutlichen blauschwarzen Bartstop p el n . Er war sch m ächtig. Irene hatte den Eindruck, dass er einige Jahre älter und bedeutend kleiner war als sein Par t ner Anders Gunnars son.
Irene lächelte und sagte: »H a llo. Inspektorin Irene Huss. Ich ha b e Kaffee m itgebrac h t. W ollen Sie Milch od e r Zucker?«
»Milch, danke.«
»Dann gehe ich noch einen m it Milch holen. Hannu kann den hier trinken.«
Der Virol o ge packte gerade sei n e Papiere in einen großen Aktenkoffer, als sie m it dem K a ffee z urückka m . Irene m erkte, dass er m it den langen Fingern seiner sch m alen Hände nervös alle Schlösser zuschnappen ließ und die Kombinationen der Z a hlenschlösser veränderte. Hätte sie nicht gewusst, welchen Beruf er ausübte, hätte sie auf Pianist getippt. U m ständlich klappte er seine randlose Brille zusammen und steckte sie in die Brusttasche
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