Die Tätowierung
vollem Gange. Die Haustür wurde von zwei kleinen, m i t Ballons gesch m ückten Birken fla n kiert. Ein junger Mann m it weißem H e m d und dunklen Hosen stolperte durch die offene Tür. Sein Schluchzen war bis zu Irene und Sam m ie zu hören. Der jun g e M ann ta s t ete sich b i s z u r nächsten Birke, um sich abzustützen, und fiel dann zusammen m it der Birke in sein Erbrochenes.
Ankunft i m Alltag, dac h te Irene iro n isch.
S a m m ie wurde unruhig und jaulte, als er den Jungen m i t der Birke ringen sah. E s wur d e auch nicht davon besser, dass dieser anfing lauts t ark zu fluchen und sich schwankend aufrichtete. Er hielt die Birke in der Hand und warf sie um. Sam m ie begann heiser zu bellen. Das war wirklich die Krönung, was a b sonderliches Beneh m en anging! Er liebte Bäume und wäre wirklich nie auf den Gedanken gekommen, sich m it ihnen zu prügeln! Er verwendete sie für das, wofür sie vorgesehen waren. Aufgebracht de m onstrierte er das auch, indem er an einem Fliederbusch sein Bein hob.
Irene zerrte ihren wütend k l äffenden Hund an der Leine hinter sich her. Er beruhigte s i ch erst, als sie auf dem Gehweg waren. Eine R unde um d e n Fußballplatz m usste genügen. Ein nasser H und im Bett ist nicht sonderlich angeneh m . Irene wusste, dass er es sich dort sofort bequem machen würde, sobald sie eingesc h l afen war. Das hätte sie ihm abgewöhnen m üssen, als er noch ein W elpe war, aber si e hatte es ni cht übers Herz gebracht. Es war so süß gewesen, wie sich der kleine, flauschige W elpe seinen Weg in die Betten erkämpft hatte.
Als sie auf der Seite des Fußballplatzes waren, der an den W ald grenzte, fühlte sich Irene plötzlich beobachtet. Rasch sah sie sich u m , konnte aber nie m anden entdecken. Sie wurde das Gefühl jedoch nicht m ehr los.
S a m m ie schlug jedoch nicht an, sondern schnupperte nur wie im m er konzentriert am Boden. Sein eifri g es Schwanzwedeln verriet, dass hier gerade erst eine ungewöhnlich attraktive Hündin vorbeigekommen sein m usste.
Irene wurde im m er nervöse r . Der Hund weigerte sich, nach Hause zu gehen, und je m and stand zwischen den Bäu m en und beobachtete sie. Unter der schweren Regenjacke aus Nylon brach ihr der Schweiß aus. Sie hatte solche Angst, dass sie S am m ie anbrüllte: »Komm jetzt, du dum m er Kläffer!«
Er war so entgei s t ert, d ass er aufs Wort gehorchte. Sie hatte sich n i chts ein g e b ilde t . Als sie weitergingen, hörte sie de u t lich einen Zweig knacken. J e m and war auf einen Zweig getreten.
Blitz s chnell f asste sie einen Ent s chluss. Mit gespi e lt unbeschwerter Stim m e s agte sie zu S a m m ie: »Jetzt laufen wir nach Hause zu Herrchen!«
Verwirrt, w eil die La u ne seines F rauchens so schnell u m geschlagen war, begann Sammie erst etwas zögernd loszulaufen, wurde aber rasch sc h neller. Bald war die Leine hi n t er ihm gespannt wie ein Drahtseil.
Während sie rannten, suchte Irene schon den Hausschlüssel hervor. Sie hielt ihn in einem f esten Gri f f in der Jac k entasche in Bereits c haft. Glücklicherweise hatte sie die Außenbeleuchtung ange m acht, ehe sie losgegangen waren. Obwohl ihre Hand zitterte, bekam sie den Schlüssel ins Schloss und öffnete.
Ohne sich die Schuhe auszuziehen, eilte sie durchs Haus und kontrollierte, ob die Terrass e ntür abgeschlossen war. Dann m achte sie auch im Garten die Außenbeleuchtung an. Anschließend löschte sie alle Lampen im Erdgeschoss. Sicherheits h alber ko n tr o llierte sie a u ch noch alle Fenster, obwohl sie wusste, dass sie v er r ie g elt w a ren. S i e sc h li c h herum und kroch unter den Fenstern entlang, da m it m an sie von außen nicht sehen konnte. Dann schaute sie vorsichtig nach draußen, ohne eine Menschenseele entdecken zu können. Nur der Nieselregen und der W i nd brachten das Laub der Bäu m e in B e wegung.
Ihr kam e i n Gedanke: das Obergeschoss! Wenn die Mädchen ein Fenster einen Spalt weit aufgelassen hatten! Mit klopfendem Herzen rannte sie die Treppe hoch. Aber sie hätte sich keine S orgen zu m achen brauchen, alle Fenster waren zu, auch das Dachfenster in der Diele, die als Fernsehzim m er diente.
Von d e m Fenster in Jennys Zimmer aus konnte sie die erle u chtete Rückseite d es Hauses einsehen. Keiner ihrer Nachbarn hatte die Außenbeleu c htung an. Es war trotzdem kein Problem, zu sehen, ob je m and versuchen würde, von dieser Seite her ins H aus einzudringen, da der Garten winzig war und von der L a m pe über
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