Die Tätowierung
neuen, weiten Mantel über, einen Trenchcoat. Er war blau, dasselbe Blau wie ihre Augen.
Am E m pfang lehnte ein schlanker junger Mann. Er war blond und trug das Haar kurz. W ahrscheinlich hatte er ihre lauten Sc h ritte auf der Tr e ppe gehört, denn er wandte ihr den Kopf z u. Seine hellblauen Augen glitten forschend über sie hi nw eg. Er war älter, als sie zuerst an g enommen hatte, m i ndestens fünfunddreißig. Er lächelte sie strahlend und verbindlich an und trat m it ausgestreckter Hand auf sie zu.
»Irene Huss, I presu m e?«
»Yes. Ich meine … ja.«
»Inspektor Peter Møller.«
Sie gaben sich die Hand, und er deutete Richtung Straße.
»Mein W agen steht vor der Tür.«
Er ging voran und hielt ihr die Tür auf. Als sie an ihm vorbeilief, be m erkte Irene, dass er nach einem guten Rasierwasser duftete und etwas gr ö ßer war als sie. E r war eben f alls in Zivil, kur z e hellbrau n e W ildlede r j acke u n d hellb e i ge H osen. Pet e r Møll e r e ilte auf einen weinroten B M W zu, das größte und neueste M odell. Auch jet z t hielt er Irene wieder die Tür auf. Als sie im Wagen saßen, sagte Irene: »In Kopenhagen hat die P o liz e i wir k li c h schic k e Autos.«
»Das ist m ein eigener«, erwiderte Møller.
Es entstand eine kurze Pause. Irene beschloss, das The m a Autos auf sich beruhen zu lassen, und nahm erneut Anlauf: »Entschuldigen Sie, dass Sie warten m ussten. Aber es hat an der Fähre etwas gedauert …«
Sie beendete den Satz absic h tlich nicht. M ø ll e r wandte ihr sein Gesicht zu und lächelte sie char m ant an.
»Da m it kalkuli e re ich immer ei s kalt, wenn ich eine D a m e abholen soll«, sagte er.
I n Anbetra c h t dessen , das s de r F r ühlin g i n Dän e mark mindesten s ebens o laus i g g e wes e n wa r wi e i n Sc h w ed e n , zo g Iren e d e n S c hluss , das s sein e dunkl e Bräun e vo n e i ner Urlaubsreis e herrührte . Si e ko n nt e natürlic h auc h selbst gebastel t se i n un d au s e i n e m Solariu m st a mm e n , abe r etwas a n Møller s Sti l sagt e ihr , das s si e ech t sei n müsse. Jedenfall s s chie n ih r da s al s neu e s Th e m a z u taugen: »Hatte n Si e i n Dänemar k s o gute s W etter ? Si e sin d so braun.«
Er lac h te l e ise.
»Nein. Ich war dort, wo garantiert im m er die Sonne scheint.«
»Herrlich!«
»Ja. Aber es war fast zu wa r m . W a r en Sie schon m al in Kopenhagen ? «
»Vor zwanzig Jahren.«
»D a n n wu rd e e s j a l a ng sa m wiede r Zeit. « Mølle r lächelte. Er wurde rasch wieder ernst und fragte: » W ollen Sie, dass wir jetzt schon raus nach Hellerup fahren oder erst später?«
»H e ll eru p ?«
»Dort hat m an die Säcke m it den Leichenteilen von Car m en Østergaard gefunden.«
» W ann war das ? «
»Juni ’97. V or fast zwei Jahren.«
»Ich finde, das m it dem Rausfahren können wir uns für später aufheben. Falls es überhaupt nötig ist. Ich habe das Ge f ühl, dass es wichtig e r ist, da s s i c h m i r das Schild m it dem Drachen ansehe.«
»Das haben wir gleich. Es ist ganz in der Nähe.«
Sie fuhren eine breite Str a ße entlang, die laut Straßenschild Bernsdorffsgade hieß. Peter Møller bog auf einen Parkplatz hinter einem s chuhk a rtonähnlichen Gebäude aus düsteren braunen Ziegeln ein. Er brauc h te Irene n i c h t lange zu erzählen, dass das ein Polizeigebäude war. Alle Polizeigebäude aus den Sec h ziger- und Siebzigerjahren schienen von ein und de m selben zutiefst depri m ierten Archite k t en entworfen worden zu sein.
»Kom m en Sie. W i r gehen uns j e t z t er s t m al das Schild anschauen«, sagte Peter Møller.
Sie verließen den Parkplatz und m arschierten eine ruhige Seitenstraße m it verwahrlosten Häusern entlang. W ahrscheinlich waren es die sch m utzigen Fassaden und die morschen T üren und Fensterrah m en, von denen die Farbe abblätterte, die der ga n zen Straße eine At m osphäre von düsterem Verfall verliehen. Sicherlich trug aber auch das trübgraue Wetter zu dem niederdrückenden Eindruck bei.
Weiter die Straße hinunter war ein Haus von Gerüsten u m geben und m it Planen verhängt. Unter den P l anen war das harte Zischen von Hochdruckreinigern zu hören.
»Schön, dass die alten Häuser renoviert werden«, m einte Irene.
»Man versucht diesen Su m pf hier zu sanieren. Man bringt die Häuser in Ordnung und erhöht die Mieten, da m it es sich der so genannte A bschaum nicht m ehr leisten kann, hier zu w ohnen. Diese Bruchbuden haben eine
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