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Die Täuschung

Die Täuschung

Titel: Die Täuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caleb Carr
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gehörige Portion Ironie darin, dass die Pharmafirmen, die Afrika so kaltblütig abgeschrieben hatten, bei etwas mehr Weitblick enorme Profite hätten erzielen können.
    Dugumbe war zu der Ansicht gelangt, dass die Notwendigkeit, in Bewegung zu bleiben, seine Beteiligung am regionalen Sklavenhandel ausschloss, was mir eine unangenehme Gewissenskrise ersparte. Der Menschenhandel, obzwar in Afrika niemals völlig ausgestorben, hatte in den letzten Jahren dermaßen zugenommen, dass er schon fast auf dem Stand seiner ehemaligen Blütezeit angelangt war; und obwohl ich oft hörte, wie Dugumbe ihn als ehrwürdige Tradition hinstellte, beschloss ich, solche Aussagen zu ignorieren, ebenso wie ich alle potenziell beunruhigenden Aspekte der Stammesbräuche ignorierte, darunter ganz besonders die lächerlichen Edikte von Dugumbes Schamanen. Meine Zufriedenheit über meinen gelungenen Rückzug aus der Informationsgesellschaft, die den Rest der Welt beherrschte, sowie meine nächtlichen Gespräche mit Dugumbe über die Übel besagter Gesellschaft erlaubten es mir, nicht nur vor dem schäbigen Gezänk, das den meisten Konflikten in dem Gebiet zugrunde lag, die Augen zu verschließen, sondern auch davor, dass die traditionelle Überlieferung diesen Menschen, die ich täglich mehr in mein Herz schloss, in vielen kleinen Dingen Schaden zufügte. Erst im Sommer darauf sollten mich ihre Bräuche und Rituale vor ein ernstes Problem stellen; dann jedoch war das Problem so ernst, dass es mich beinahe das Leben gekostet hätte.
    Eines Abends kam ich zu der Reihe miteinander verbundener Leinwandzelte zurück, in denen Mutesas Familie wohnte, und bemerkte, dass die Stimmung ungewöhnlich ernst war. Mutesa marschierte mit dem Gehabe eines echten autoritären Patriarchen auf und ab, was in krassem Gegensatz zu der Art stand, wie er sonst immer mit seinen Kindern und seiner Frau scherzte und spielte. Diese brave Frau, Nzinga, gab keinen Ton von sich – auch das war sehr ungewöhnlich –, und während Mutesas vier Söhne ihr übliches abendliches Ritual vollzogen, bei dem sie sowohl sein Gewehr als auch die ihren reinigten, hockten die drei Mädchen in einem der Zelte zusammen. Sie weinten alle; am lautesten weinte Mutesas älteste Tochter, Ama, die gerade dreizehn geworden war.
    Ich fragte Mutesa, welches Unglück sein Haus heimgesucht habe. »Kein Unglück, Gideon«, antwortete er. »Meine Töchter weinen aus Dummheit.«
    »Und ich?«, rief Nzinga, während sie das Abendessen zubereitete. »Weine ich, weil ich dumm bin?«
    » Du sprichst, weil du ungehorsam bist!«, erwiderte Mutesa ebenso laut. »Sieh zu, dass du mit meinem Essen fertig wirst, Frau, und dann mach deine Tochter bereit! Der Schamane kommt bald.«
    »Der Metzger kommt bald«, sagte Nzinga, als sie auf dem Weg zu dem Zelt, in dem sich ihre Töchter versteckten, an uns vorbeikam. Mutesa machte Anstalten, sie zu schlagen, aber ich hielt seinen erhobenen Arm fest, obwohl ich nicht glaubte, dass er wirklich zugeschlagen hätte. Trotzdem litt er in diesem Moment zweifellos – und sein Unbehagen übertrug sich auf mich.
    »Weshalb kommt der Schamane?«, fragte ich. »Gibt es Krankheit in eurem Haus? Falls ja, kann ich …«
    »Du darfst dich nicht einmischen, Gideon«, sagte Mutesa mit fester Stimme. »Ich weiß, dass ihr Westler es nicht billigt – aber es ist Amas Zeit.«
    Mit einem Mal war mir alles erschreckend klar. Ich stöhnte auf, als ich begriff, was er meinte, und schloss meine Hand fester um seinen Arm. »Das darfst du nicht tun«, sagte ich leise, aber mit aller Eindringlichkeit. »Mutesa, ich flehe dich an …«
    »Und ich flehe dich an«, antwortete er, und seine Stimme wurde sanfter. »Dugumbe hat es so bestimmt. Wenn wir Widerstand leisten, wird das Mädchen sterben, und wenn du dich einmischst, wird es dir nicht anders ergehen.«
    Er riss sich los. Jetzt wirkte er nicht mehr zornig, sondern tieftraurig; und als er seiner Frau ins angrenzende Zelt folgte, um seine Tochter zu trösten, stand ich mit offenem Mund da und versuchte mir darüber klar zu werden, was in aller Welt ich tun konnte, um den widerwärtigen Übergangsritus zu verhindern, der gleich vollzogen werden sollte. Mein Verstand war jedoch wie betäubt von dem Schock; und als ich hörte, wie sich eine Schar alter Weiber draußen vor dem Zelt versammelte und eine Menge idiotischen Unsinn über den Eintritt eines Mädchens ins Frausein intonierte, geriet ich dummerweise in Panik, stürzte hinaus und schrie

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