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Die Täuschung

Die Täuschung

Titel: Die Täuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caleb Carr
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geschehen ist, so wie wir alle. Diese Anstrengung hat natürlich der Freude, wieder mit ihr zusammen zu sein, keinen Abbruch getan, ebenso wenig wie der Erleichterung darüber, dass meine Freunde mir in Wirklichkeit nicht nach dem Leben getrachtet hatten. Aber sie kostet uns so viel Kraft, dass diese schöne Zeit einen Hauch von Unwirklichkeit angenommen hat, und ich erwarte jeden Moment, wieder in Häuptling Dugumbes Lager aufzuwachen und zu hören, wie Essen zubereitet wird und Waffen hergerichtet werden. Vielleicht ist das der Grund, warum ich nicht schlafen kann – warum ich nicht schlafen werde –, bis ich diese letzte Episode niedergeschrieben habe: denn falls diese neue Welt tatsächlich noch existiert, wenn ich das nächste Mal aufwache, werde ich vielleicht auf diese Seiten zurückgreifen müssen, um mir in Erinnerung zu rufen, wie sie entstanden ist.
    Mutesa und ich verloren die wenigen anderen Männer unseres Trupps keine zwölf Stunden, nachdem wir das Lager verlassen hatten. Der Anblick von Malcolms Schiff, als es schließlich am Horizont hinter uns auftauchte, war einfach zu viel für sie, und für mich beinahe auch; aber Mutesa blieb so beherzt wie immer, und nachdem er in einem riesigen, hohlen Baobab-Baum einen Unterschlupf für uns gefunden hatte, bereitete er sich darauf vor, mir bei meinem mutmaßlichen letzten Gefecht zur Seite zu stehen. Auf sein hartnäckiges Drängen hin, dass ich mich bewaffnen sollte, holte ich widerstrebend die Rail-Pistole heraus; es wollte mir einfach nicht in den Kopf, dass ich womöglich gezwungen sein würde, sie gegen Larissa und die anderen zu erheben, und ich fragte mich, ob es letztendlich nicht vielleicht besser wäre, mich einfach zu ergeben.
    Zu Mutesas großer Bestürzung beschloss ich, genau das zu tun. Als das Schiff sich dem Baum näherte, in dem wir uns verbargen, bestand er darauf, mich auf das uns umgebende grasbewachsene Stück Flachland zu begleiten, um sicherzustellen, dass ich nicht einfach wie ein Hund niedergeschossen wurde. Wie er das verhindern wollte, war mir unklar, aber ich freute mich über seine Gesellschaft bei meinem – wie ich aufrichtig glaubte – letzten Gang über irgendeinen Teil dieser Erde.
    Mutesas Tapferkeit mischte sich mit Verwirrung, als das Schiff langsam zu uns herunterkam, bis sein Boden die Spitzen des sich wiegenden Grases streifte. Dann begannen die kleinen grünen Lichter mittschiffs zu blinken, und die Luke flog auf und gab den Blick auf Fouché frei – und auf Larissa, die hinter ihm stand. Trotz meiner Angst schlug mein Herz höher, als ich sie sah: Sie war schöner denn je, so schön, dass ich zuerst gar nicht bemerkte, dass sie mir über den Lärm der Schiffsmaschinen hinweg mit verzweifelter Stimme etwas zurief. Es dauerte noch eine ganze Weile, bis ich sie verstand, aber dann erlosch mein Lächeln, und meine Miene wurde todernst:
    Malcolm, sagte sie, sei verschwunden.
    Während Larissa und Fouché mir durch ihre Gesten weiterhin zu verstehen gaben, dass ich an Bord kommen sollte, versuchte ich, aus der Situation schlau zu werden. Aber das würde mir nur im Schiff gelingen, nicht hier draußen in diesem Grasland. Ich drehte mich zu Mutesa um, um ihm Lebewohl zu sagen, und sah, dass er bereits lächelte: Ich hatte ihm von Larissa erzählt (wenn auch nicht von dem Schiff), und nachdem er sie nun gesehen hatte, war er anscheinend zu dem Schluss gelangt, dass mir nichts geschehen würde. Ich umarmte ihn und drückte ihn an mich, und er erklärte mir, ich bräuchte kein schlechtes Gewissen zu haben, wenn ich nun wieder in meine Welt zurückkehrte, denn seine sei im Grunde nicht besser – was mir ja vermutlich bereits klar geworden sei. Ich nickte lächelnd, dann lief ich zum Schiff, sprang hinein und fiel in die Arme jener Frau, derentwegen mir so lange das Herz schwer gewesen war, bei Tag und bei Nacht.
    Nach einer weiteren Umarmung und fast genauso vielen Küssen von Fouché ging ich mit den beiden zum Bug des Schiffes, wo Colonel Slayton und die Kupermans warteten. Weitere herzliche Begrüßungen wurden ausgetauscht, und meine Erleichterung darüber, dass mein schrecklicher Verdacht falsch gewesen war, wuchs ins nahezu Unermessliche. Doch bevor wir uns ausführlich darüber unterhalten konnten, was geschehen war, mussten wir uns irgendwo verstecken, wo wir vor den Waffen der diversen Stämme, die sich meine Freunde auf ihrer Suche nach mir unabsichtlich zum Feind gemacht hatten, in Sicherheit waren. Als ein

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