Die Täuschung
der gesamten Nation auf sich zog und die Amerikaner dazu brachte, einige ihrer zentralen vorgefassten Meinungen bezüglich der Moral ihres Landes zu überdenken.
Eine Mordgeschichte schien dazu am besten geeignet zu sein, sogar noch besser als ein guter Sexskandal. Schließlich waren die Worte »Präsident« und »Sexskandal« im öffentlichen Bewusstsein schon seit langem unentwirrbar miteinander verknüpft, während Mordverschwörungen in der Öffentlichkeit immer noch hochgradige Faszination und extreme Emotionen auslösten – man brauchte sich ja nur anzusehen, was Malcolm und die anderen mit den Bildern von Emily Forresters Tod angerichtet hatten. Und obwohl man gemeinhin wusste, dass Washington wie so viele seiner Zeitgenossen (und auch der unsrigen) inkompetenten Ärzten zum Opfer gefallen war, würde die darüber hinausgehende »Enthüllung«, dass diese Tat das Ergebnis eines Komplotts gewesen sei, in Amerika und aller Welt wahrscheinlich ebenso wenig Skepsis hervorrufen wie an unserem Esstisch. Kurz, die Glaubwürdigkeit würde erneut Streit säen.
Am Ende des Abends herrschte allgemeine Übereinstimmung, dass der Plan gut genug war, um Malcolm vorgelegt zu werden. Slayton erbot sich freiwillig, das zu übernehmen, und tat es dann auch tags darauf. In den Stunden, die er mit unserem kranken Chef hinter verschlossenen Türen verbrachte, marschierte ich in meinem Zimmer auf und ab, während Larissa im Bett lag und mir versicherte, dass alles glatt gehen würde. Und sie schien Recht zu haben: Slayton kam bestens gelaunt aus der Besprechung und erzählte mir, Malcolm habe die Idee gebilligt und wolle, dass die anderen schon einmal die gefälschten Dokumente präparierten, die wir brauchten, um den Plan in die Tat umzusetzen.
Dennoch fand ich es merkwürdig, dass Malcolm seine Abkapselung nicht wenigstens für einen kurzen Moment aufgegeben hatte, um uns seine Zustimmung persönlich mitzuteilen. Ich fragte Slayton, ob er mit der Reaktion unseres Chefs gänzlich zufrieden gewesen sei, und er bejahte; aber ich merkte, dass auch er zumindest leise enttäuscht darüber war, wie Malcolm unsere Arbeit aufgenommen hatte. Und obwohl ich in den betriebsamen Tagen, die darauf folgten, Malcolms ständige physische Kämpfe und die damit einhergehende emotionale wie auch intellektuelle Sprunghaftigkeit dafür verantwortlich zu machen versuchte, ließ sich der Zweifel nicht ganz aus meinen Gedanken verbannen: In gelegentlichen Augenblicken der Muße verspürte ich den Wunsch, den Mann zu fragen, was hinter seinem Benehmen steckte.
Die Gelegenheit dazu sollte sich jedoch erst ergeben, als wir wieder an Bord des Schiffes gegangen waren und auf den Atlantik hinausflogen, um aktiv auf unser Ziel hinzuarbeiten, das weltweite Bild von der Geburt und dem nationalen Charakter der Vereinigten Staaten zu verändern. Auf dieser Reise sollte ich feststellen, dass Malcolms scheinbarer Mangel an Begeisterung nichts mit Slaytons und meinem Plan zu tun hatte. Vielmehr entsprang er Sorgen von viel umfassenderer Natur; Sorgen, deren Berechtigung bald darauf ausgerechnet von jener kleinen Computerdisk bestätigt werden würde, die ich in meiner Jackentasche gefunden hatte.
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D er Washington-Coup, wie wir ihn nach einer Weile nannten, beruhte im Wesentlichen auf zwei gefälschten Dokumentensätzen. Der erste war eine Sammlung von Geständnissen dreier von Schuldgefühlen gepeinigter Verschwörer, die an dem Mord beteiligt gewesen waren und auf dem Sterbebett ihr Gewissen erleichtern wollten: Thomas Jefferson (dem die Öffentlichkeit wegen seiner persönlichen kleinen Sünden und seiner Heuchelei bezüglich der Sklaverei schon längst so gut wie jede Missetat zutraute), John Adams (dessen leidenschaftlicher, manchmal irrationaler Föderalismus ihn zur ewigen Zielscheibe des allgemeinen Zorns gemacht hatte), und schließlich einer von Washingtons messerschwingenden Ärzten. Der zweite Satz gefälschter Dokumente bestand aus mehreren Briefen Washingtons an enge Freunde, in denen er seine Absicht bekundete, eine mahnende Ansprache an die Nation über die wachsende Macht jener zu halten, in deren Händen der Reichtum des Landes lag.
Als Slayton und ich mit der Formulierung der Texte fertig waren, hatten Leon und Julien bereits die erforderliche Tinte und das Papier verändert; bald darauf lagen die Dokumente bereit. Und so gingen wir an Bord des Schiffes und brachen nach New York und Washington auf, um unsere Schöpfungen in diverse Archive
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