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Die Täuschung

Die Täuschung

Titel: Die Täuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caleb Carr
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lang die Augen.
    »Malcolm«, sagte ich behutsam. »Wenn Sie mir die Frage erlauben: Wissen Sie, ob die Häufigkeit oder die Schwere dieser Anfälle zunimmt?«
    Er nickte. »Wenn ich mich mehr ausruhen könnte«, sagte er und schlug die Augen wieder auf. »Aber dafür ist keine Zeit. Nicht jetzt.« Er holte tief Luft und drehte sich schließlich zu mir um. »Sie haben auf der Insel sehr gute Arbeit geleistet, Gideon. Die anderen natürlich auch, aber da es Ihr erster Versuch war, wollte ich es Ihnen persönlich sagen – ausgezeichnete Arbeit.«
    Ich lächelte erleichtert. »Colonel Slayton und ich hatten schon befürchtet, Sie wären vielleicht doch nicht so begeistert.«
    »Weil ich mich nicht daran beteiligt habe? Ja, das tut mir Leid. Aber ich kann momentan nur eine begrenzte Anzahl von Stunden arbeiten, und mit denen muss ich … sparsam umgehen. Das hat jedoch nichts mit Ihrer Arbeit zu tun, die war ganz hervorragend. Meine Hauptsorge bei diesem Projekt ist eher, dass es vielleicht zu gut ist.«
    Ich schwieg einen Moment lang verwirrt. »Ich hätte nicht gedacht, dass eine Täuschung ›zu gut‹ sein könnte.«
    »Eine Täuschung, die darauf angelegt ist, dass sie aufgedeckt wird, schon«, erwiderte Malcolm. »Ist Ihnen dieser Gedanke noch nie gekommen, Gideon?«
    »Welcher?«
    »Dass unsere Arbeit auch noch widerlegt werden muss.«
    Meine Verwirrung wurde noch größer. »Ich dachte, einzig und allein darum ginge es uns.«
    » Einzig und allein darum wohl kaum.« Malcolm klang zutiefst enttäuscht, und dieser Eindruck verstärkte sich noch, als er frustriert seinen Rollstuhl herumdrehte. »Nicht einmal in erster Linie!«, fuhr er fort. Das Medikament verlieh ihm neue Kraft und erweckte auch seine Leidenschaftlichkeit wieder zum Leben. »Dass der Schwindel irgendwann aufgedeckt wird, gehörte zum Gesamtplan – wir haben diese Fälschungen ausgestreut, um die Gefahren unserer Zeit deutlich zu machen, aber nicht, um die Köpfe der Menschen mit noch mehr sinnlosen Informationen zu füllen!«
    Ich hob die Schultern und versuchte, ihn zu beruhigen: »Das ist das Dilemma an der ganzen Sache, Malcolm. Nur gelungene Täuschungen demonstrieren, was Sie damit zeigen wollen – aber sie verhindern gleichzeitig, dass eben dies erkannt wird. Letztendlich werden Sie vermutlich selbst enthüllen müssen, was Sie getan haben.«
    »Das habe ich versucht!«, gab er zurück. »Larissa hat es Ihnen sicher erzählt – wir haben den Amerikanern so gut wie offenbart, dass die Forrester-Bilder manipuliert waren. Und was ist passiert? Sie haben trotzdem diese verdammten unbemannten Monstrositäten auf Afghanistan losgelassen! Und gerade erst letzte Woche habe ich mich mit Informationen über die Churchill-Briefe an die englische und die deutsche Regierung gewandt, aber was war die Reaktion? Die Deutschen haben abgewinkt, weil sie gar kein Interesse daran haben, dass die Fälschung aufgedeckt wird – und die Engländer sagen, sie seien nicht bereit, der Öffentlichkeit bizarre, schöngefärbte und deshalb völlig unglaubwürdige Gegenbeweise zu präsentieren!« Er versuchte sich zusammenzureißen. »Diese Gedanken habe ich den anderen gegenüber noch nicht geäußert, Gideon, und ich möchte Sie bitten, sie für sich zu behalten – aber manchmal zweifle ich an diesem ganzen Plan. Vielleicht ist etwas anderes, etwas sehr viel Drastischeres vonnöten.«
    Ich dachte an seinen Hang zur Verschwiegenheit und versuchte, mir meine Neugier nicht anmerken zu lassen. »Haben Sie daran gearbeitet?«
    »Nein.« Die Härte seines Tons war ebenso erschreckend wie die Veränderung in seinem Gesicht; seine Züge schienen regelrecht zu erstarren. Dann schüttelte er mehrmals den Kopf. Er sah aus, als wäre ihm sehr unbehaglich zumute. »Das heißt – vielleicht.« Er schlug mit einer Hand auf die Armlehne seines Rollstuhls. »Ich möchte nicht darüber sprechen! Worum es mir geht, ist, dass Sie und der Colonel bei dieser Sache eine Art Garantie einbauen. Ich möchte sicher sein …« Er drehte seinen Stuhl zu mir herum und hob einen Finger. »Ich möchte absolut sicher sein, dass die Sache irgendwann aufgedeckt wird. Dies geht nämlich viel tiefer als der Forrester-Job – wir spielen an der Psyche der mächtigsten Nation der Erde herum, eines Landes, das nicht einmal mehr das Leben seiner jungen Menschen aufs Spiel setzen muss, um seine politischen Moralvorstellungen durchzusetzen. Diesmal müssen wir alles richtig machen.«
    Dieser Gedanke war

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