Die Täuschung
nicht so einfach zu verdauen, nachdem wir uns so viele Tage alle Mühe gegeben hatten, unsere Täuschung glaubwürdiger zu inszenieren als alle bisherigen Aktivitäten der Gruppe; und da mein Denkvermögen von diesen arbeitsreichen Tagen arg in Mitleidenschaft gezogen war, hätte ich vielleicht wirklich versucht, mit Malcolm über diesen Punkt zu diskutieren, wenn nicht auf einmal Tarbells Stimme aus der Lautsprecheranlage gekommen wäre:
»Gideon – wo sind Sie, im Geschützturm?«
Ich warf Malcolm erneut einen verwirrten Blick zu und tippte auf ein Tastenfeld in der Nähe. »In der Aussichtskuppel, Leon. Brauchen Sie mich?«
»Nein, bleiben Sie, wo Sie sind, ich komme rauf«, antwortete er. »Ich habe da etwas, das könnte Sie interessieren.«
Malcolm und ich schwiegen fast eine ganze, äußerst unangenehme Minute lang; dann sagte er sehr leise und ein wenig zerknirscht: »Ich weiß, das klingt alles bestimmt merkwürdig, Gideon. Und ich kann mir vorstellen, wie Sie sich fühlen, wenn man bedenkt, welche Mühe Sie sich gegeben haben. Aber diese Arbeit birgt eine große Gefahr: Es hat schon etwas Faszinierendes, wenn man imstande ist, nahezu die gesamte Menschheit zu täuschen. Und manchmal erliegt man dieser Faszination. Ich kann mich in diesem Punkt ebenso wenig von Schuld freisprechen wie jeder andere. Deshalb …«
»Ah, da sind Sie ja!« Es war Tarbell, der die Treppe von der Kommandoebene heraufgesprungen kam. »Und Malcolm auch – vielleicht findest du das ebenfalls interessant, Malcolm. Es betrifft unseren alten Freund, Mr. Price.«
Der düstere Ausdruck, der sich zuvor auf Malcolms Züge gelegt hatte, kehrte zurück, diesmal sogar noch abrupter. »Wovon sprichst du, Leon?«, fragte er besorgt.
»Gideon – oder vielmehr sein Freund, Mr. Jenkins – ist zufällig auf die Ergebnisse eines anderen Projekts gestoßen, für das Price engagiert worden war. Wir dachten, es handele sich um einen Film, aber jetzt bin ich mir da nicht mehr so sicher, Gideon.« Tarbell war wie der Blitz bei einem Terminal, nahm davor Platz und holte etwas auf den Bildschirm, während ich ihm eilig folgte; Malcolm war sogar noch schneller. »Hier«, sagte Leon schließlich. »Transkripte. Nach jenem Abend, Gideon, habe ich das globale Abhörsystem darauf programmiert, alle Nachrichten auszufiltern, in denen eine Kombination der Schlüsselworte ›Dachau‹ und ›Stalin‹ vorkam.« Malcolm schnappte plötzlich nach Luft – nicht laut genug, dass Tarbell es hörte, aber immerhin so laut, dass ich mich zu ihm umdrehte.
Er presste den Körper gegen die Rückenlehne seines Stuhls und sah schlimmer aus denn je; ganz offensichtlich war sein Problem diesmal jedoch nicht körperlicher Natur.
»Bis heute hatte ich kein Glück«, fuhr Leon fort. »Und jetzt – gleich sieben Treffer auf einmal. Alle vom israelischen Geheimdienst.« Mir wurde mit einem Mal flau im Magen, obwohl ich nicht so recht wusste, weshalb; ich dachte plötzlich an den Abend, als Colonel Slayton im Abhörraum gesessen und zugehört hatte, wie Mossad-Agenten sich aufgeregt über Terroristen und ein deutsches Konzentrationslager unterhalten hatten. »Anscheinend wissen sie über die Bilder Bescheid«, fuhr Tarbell höchst amüsiert fort. »Aber das Komische ist, dass sie sie offenbar für echt halten! Momentan suchen Dutzende von Mossad-Agenten nach einem ihrer eigenen Männer, der als Erster eine fertige Version der Sequenz in die Finger bekommen hat.« Tarbells Belustigung ließ nach, und er kniff die Augen zusammen. »Das ist mir wirklich ein Rätsel. Warum sollten sie einen ihrer eigenen Leute suchen …«
»Sein Name.« Malcolm hatte seinen Schock endlich so weit überwunden, dass er sprechen konnte.
Tarbell drehte sich um. »Wie bitte, Malcolm?«
»Sein Name, verdammt!«, rief Malcolm. Er umklammerte seinen Rollstuhl so fest, dass seine Knöchel weiß wurden.
Tarbell wich ein bisschen zurück. »Ich … ich weiß nicht. Seinen Namen erwähnen sie nicht. Mit Absicht, würde ich sagen.«
Mit einer einzigen raschen Bewegung seiner Arme trieb Malcolm den Rollstuhl zum Bildschirm. Er schaute einen Moment lang aufmerksam darauf, dann packte er Leon fest an der Schulter. »Ruf alle unten zusammen, Leon.« Er gab sich alle Mühe, die Gefühle, die offenkundig in seinem Inneren tobten, unter Kontrolle zu halten. »Sofort, bitte.«
Tarbell war klug genug, umgehend zu gehorchen, und als er verschwunden war, drehte Malcolm mit großen Augen und leerem Blick
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