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Die Täuschung

Die Täuschung

Titel: Die Täuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caleb Carr
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Kredite und Investitionen würden zu Reformen führen, ist nach wie vor blanker egoistischer Unsinn, wie schon das Beispiel China gezeigt hat. Wenn man Geld in ein Land steckt, das sich in einer solchen Situation befindet, gießt man damit nur Öl ins Feuer.« Er holte tief Luft und lehnte sich zurück. Sein Zorn wich allmählich der Reue. »Mit anderen Worten, ich hatte den Eindruck, Russlands Platz in der Welt und in der Geschichte müsste dringend einmal in aller Öffentlichkeit neu bestimmt werden.«
    »Dazu hättest du dir kaum ein … provokanteres Ereignis aussuchen können, Malcolm«, sagte Tarbell. In seinem Ton lag keine Spur von Ironie oder Belustigung.
    Malcolm nickte grimmig. »Und wie sich herausgestellt hat, auch niemand Schlechteren, um den Auftrag auszuführen. Ich habe John Price engagiert, weil keiner von uns seine Fähigkeiten zur visuellen Manipulation besaß – aber ich hatte immer Bedenken gegen ihn. Nicht nur, weil er frei arbeitete, obwohl mir schon das Sorgen bereitet hat. Aber ein Freiberufler aus einer Stadt, in der es bei Verabredungen zum Essen in angenehmen Restaurants unausgesprochen immer um Verrat geht … Das war die Welt meiner Mutter; schon allein deswegen hätte ich es bleiben lassen sollen. Aber ich dachte, wir könnten mit ihm fertig werden.«
    »Ich dachte, das wäre uns auch gelungen«, sagte Larissa in einem Ton, der keinen Zweifel daran ließ, dass sie es nicht bereute, Price ins Jenseits befördert zu haben.
    »Manchmal«, sagte Malcolm, »beendet der Tod die Gefahren nicht, die von jemandem ausgehen können, Larissa.«
    »Und welche Gefahren sind das eurer Meinung nach?«, fragte ich und schaute von einem zum anderen.
    »Ich habe die Nachrichten studiert, die Leon abgefangen hat«, antwortete Colonel Slayton. »Und wenn ich sie mit dem in Verbindung bringe, was ich gehört habe, würde ich sagen, die Situation ist sehr schlimm. Überdies ist die Sache schon ziemlich weit fortgeschritten. Die Israelis machen sich offenkundig Sorgen über eine ganz bestimmte terroristische Reaktion auf diese neue Enthüllung über den Holocaust, und sie rechnen anscheinend damit, dass diese Reaktion von einem ihrer eigenen Agenten kommt. Wahrscheinlich von dem Mann, der die manipulierten Bilder entdeckt hat.«
    »Ein Fanatiker?«, fragte Eli.
    Malcolm nickte. Seine Miene war ein einziger Selbstvorwurf. »Hauptsächlich aus diesem Grund habe ich das Projekt abgebrochen, bevor ich euch davon erzählt habe. Mir ist klar geworden, dass es gewisse historische Ereignisse gibt, mit denen nicht einmal wir herumspielen dürfen – die durch sie ausgelösten Gefühle sind einfach zu mächtig. Worüber wir hier sprechen, ist höchstwahrscheinlich der schwärzeste Augenblick der gesamten Menschheitsgeschichte. Nicht einmal die Brutalitäten des finsteren Mittelalters hatten auch nur andeutungsweise das gleiche Ausmaß oder waren von dem gleichen systematischen Wahnsinn geprägt …« Malcolm schüttelte den Kopf. »Kann sein, dass dieser Mann im Holocaust Angehörige verloren hat. Vielleicht hat ihn auch allein schon der Gedanke an diesen Völkermord aus dem Gleis geworfen.« Ich spürte, wie bei dieser Vorstellung abrupt Furcht in mir aufwallte: Nicht nur, dass es mir absolut plausibel, ja sogar wahrscheinlich erschien, ich hatte auch bereits mit ähnlichen Persönlichkeiten zu tun gehabt und wusste, wozu sie fähig waren. »Wie auch immer die Erklärung lauten mag«, fuhr Malcolm fort, »er hat sich jetzt zu denen gesellt, die die Welt stets am meisten fürchten sollte, zu denen, die ursprünglich für den Holocaust verantwortlich waren: zu den Fanatikern.«
    »Beim Mossad wimmelt es von solchen Leuten«, sagte Colonel Slayton, »was man von den meisten anderen Nachrichtendiensten nicht behaupten kann. Aber sie achten sehr sorgfältig darauf, den Namen dieses Mannes nicht zu nennen, wenn die Verbindungen nicht absolut sicher sind – sie wollen die Angelegenheit unbedingt intern regeln.«
    »Das ist verständlich«, urteilte Fouché. »Seit sie auf Seiten der Kurden in den türkischen Bürgerkrieg eingegriffen haben, gibt es ungeheure Spannungen zwischen Amerika und Israel. Mag sein, dass die Israelis keine Wahl hatten, da sie jetzt vom Wasser aus dem Kurdengebiet abhängig sind, aber das ändert nichts daran, dass die Türkei nach wie vor ein amerikanischer Verbündeter ist.«
    »Ich habe den Nachrichtenverkehr der CIA überprüft«, sagte Tarbell. »Die wissen noch weniger als wir, was bestimmt

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