Die Täuschung
Überzeugung waren, gerade ihre kleine oder große Stadt oder ihr County hätte den berechtigtsten Anspruch auf das Wasser, das ihnen früher allen gemeinsam gehört hatte. Die daraus resultierenden Auseinandersetzungen wurden manchmal mit Knüppeln und Messern ausgetragen, manchmal aber auch mit Panzern und tragbaren Raketenwerfern, die die Milizen bei Zusammenstößen mit der regionalen oder überregionalen Staatsmacht erbeutet hatten; und obwohl es unwahrscheinlich war, dass unser Schiff einen zufälligen Treffer durch eine dieser Waffen abbekommen würde (erst recht, da wir nun unter einer holografischen Tarnkappe reisten), empfahl es sich, den besseren Teil der Tapferkeit walten zu lassen und die Stadt vom Meer her anzufliegen. Deshalb stiegen wir etwa eine halbe Stunde lang wieder in die Stratosphäre hinauf und warteten dort auf die Dunkelheit, bevor wir über dem Pazifik nahe der Insel Catalina erneut auf Reiseflughöhe hinuntergingen.
Während dieses Sinkflugs fingen wir eine Reihe von Satellitenbildern auf, die uns zeigten, dass es trotz der nach wie vor starken Präsenz der kalifornischen Nationalgarde auf den Straßen von Los Angeles in der Stadt südlich der Santa Monica Mountains verhältnismäßig ruhig war. Nördlich dieser Linie zeigte unsere Luftaufklärung jedoch ein Flickwerk heißer Zonen, was darauf hindeutete, dass die Einwohner des San Fernando Valley – eines der ersten Orte, wo die Auswirkungen des Wassermangels in der Region in vollem Umfang spürbar geworden waren – sich im offenen Aufruhr befanden und die Staatsgewalt mit jener blinden, entschlossenen Wut, die sie schon seit Jahren verzehrte, in Kämpfe verwickelten. Unser Ziel war zum Glück die vornehme Westside von Los Angeles: Dort lag John Prices entsetzlich geschmackloses Heim in jener genauso geschmacklosen Stadt innerhalb der Stadt, Beverly Hills.
Dank des holografischen Projektors konnten wir die Silhouette unseres Schiffes nahtlos mit seinem Hintergrund verschmelzen lassen; auf diese Weise gelang es uns, in die nähere Umgebung der reichen kleinen Stadt vorzudringen und einen Suchtrupp, der aus dem Colonel, Larissa, Tarbell und mir selbst bestand, in einem öffentlichen Park abzusetzen. Von dort aus begaben wir uns durch palmengesäumte Straßen zu Prices Haus – das aufgrund der Ermittlungen über seinen Tod noch unter Bewachung stand – und betraten es ohne große Schwierigkeiten. Eine mehrstündige Suche förderte jedoch nur eine – wenn auch immerhin viel versprechende – Spur zutage: Tarbell entdeckte beim Herumwühlen in einem Satz scheinbar harmloser Dokumente eine Notiz von einem gewissen Ari Machen, einem wohl bekannten Filmproduzenten israelischer Herkunft, der, wie uns Colonel Slayton mitteilte, Verbindungen zu verschiedenen Stellen der israelischen Regierung unterhielt – insbesondere zum Mossad. Wir nahmen die Notiz mit, die einen äußerst beunruhigenden Hinweis auf »die russische Angelegenheit« enthielt, und stahlen uns dann aus dem Haus davon, wobei wir nur um Haaresbreite einem Zusammenstoß mit einer Gruppe schwer bewaffneter Polizisten und Polizistinnen entgingen, die mit speziell auf das Aufspüren von Wasser trainierten Kampfhunden auf Patrouille waren: Diebstahl und Hamsterei hatten im Südwesten Hochkonjunktur, sogar in Beverly Hills.
Sobald wir wieder an Bord des Schiffes waren, zogen wir uns in eine sichere, große Höhe zurück, um ein plausibles Szenario für die Tage zusammenzupuzzeln, die John Price in Los Angeles verbracht hatte, bevor er nach New York geflogen war, wo der Tod auf ihn wartete. Diese Aufgabe wurde um vieles leichter, als es Tarbell gelang, die E-Mail-Unterlagen des Mannes wiederherzustellen, und er eine sorgfältig formulierte Korrespondenz zwischen dem Special-Effects-Genie und Ari Machen entdeckte. Wenn jemand, der nichts von den Stalin-Bildern wusste, diese Mitteilungen gelesen hätte, wären sie vielleicht als der normale Geschäftsverkehr eines Produzenten mit einem seiner Abteilungsleiter durchgegangen. Aber mit unserem Wissen über Machens Verbindungen nach Israel und das Stalin-Material gelangten wir nur unschwer zu der Erkenntnis, dass Price diese Bilder Machen gezeigt hatte, ohne ihm zu sagen, dass sie gefälscht waren. Der entsetzte Machen hatte dann seine Freunde im Mossad kontaktiert, die zum Teil leitende Positionen in dem Studio bekleideten, bei dem er selbst gegenwärtig als Produzent unter Vertrag stand: Angesichts des in den letzten dreißig Jahren
Weitere Kostenlose Bücher