Die Täuschung
Eshkol in traditioneller arabischer Tracht zeigten. »Der Narzissmus der kleinen Unterschiede, wie? Ihr Kollege Dr. Freud wäre begeistert, Gideon. Jedenfalls bekommen solche Opfer keine Nachrufe, ganz egal, für welche Seite sie gearbeitet haben – und ihr Tod wird natürlich nicht in der DNA-Datenbank registriert. Wirklich die idealen Probenspender – so gut wie nicht aufzuspüren.«
»Eshkol ist mehrfach verwarnt worden«, sagte Jonah, während Tarbell sich wieder über sein Essen hermachte. »Zum ersten Mal im Jahr 2011, als er sechsundzwanzig war. Wegen Verstümmelung der Leiche eines seiner Opfer, wie der Mossad es genannt hat.«
»Das ist in diesem Spiel nicht ganz unbekannt«, meinte Larissa. »Diese Art der Trophäensammlung.«
»Stimmt«, pflichtete Eli ihr bei und blätterte in weiteren voll gekritzelten Seiten, »und deshalb haben sie’s bei einer Verwarnung bewenden lassen. Nicht nur einmal. Und da könnten wir ihn kriegen. Weder die Israelis noch die Amerikaner wissen etwas von Eshkols Vorgehensweise – wir sind nur zufällig darauf gestoßen, als wir die Namen seiner Opfer, die wir aus den geheimsten Mossad-Akten hatten, mit sämtlichen Reisedatenbanken abgeglichen haben, in die wir einbrechen konnten. Anfänglich haben wir nur wenige Treffer gelandet, aber dann wurden es mehr.«
»Er hat über die Jahre etliche außerdienstliche Ausflüge unternommen«, warf Jonah ein. »Und ich glaube nicht, dass er als Tourist unterwegs war – dazu hat er seine Spuren zu gut verwischt.«
»Du meinst, er hat private Rachefeldzüge durchgeführt«, sagte Malcolm leise und grimmig.
Eli nickte. »Neonazis, Skinheads, arabische Intellektuelle an ausländischen Universitäten, die leidenschaftliche Gegner eines Friedens mit Israel waren – sie sind alle auf rätselhafte Weise ums Leben gekommen, wenn Eshkol unter der Tarnung einer seiner falschen Identitäten gerade im Land war. In einigen wenigen Fällen konnten wir ihn sogar in der jeweiligen Stadt lokalisieren, in der die Hinrichtung stattfand.«
Malcolm nickte bedächtig und blickte schweigend aufs Meer hinaus, so wie meistens, wenn die Dinge eine Unheil verkündende Wendung nahmen.
»Und ihr glaubt, ihr könnt ihn aufspüren?«, fragte Slayton, der Malcolms Stimmung bemerkte und einen Moment lang die Führung übernahm. »Mit dieser Methode?«
»Wir haben schon damit angefangen«, antwortete Jonah mit einem eifrigen Nicken.
»Und?«, fragte Larissa.
»Und es scheint«, antwortete Eli, »dass er die Vereinigten Staaten tatsächlich verlassen hat – Richtung Paris. Vor zwei Tagen.«
Allgemeines Gemurmel folgte, während wir uns alle den Kopf darüber zerbrachen, weshalb Eshkol ausgerechnet in ein so auffälliges Versteck wie die französische Hauptstadt geflohen sein mochte. Schließlich erklärte Malcolm leise und ohne sich zu uns umzudrehen:
»Eine Waffe. Er will sich eine Waffe besorgen.«
Fouché schaute noch verwirrter drein. »Aber er bewegt sich schnell, Malcolm. Er kann es sich kaum leisten, einen Panzer oder auch nur eine besonders große Schusswaffe mitzunehmen, die üblichen französischen Exportartikel. An Sprengstoff kommt man überall problemlos heran, warum also …« Juliens Mund erstarrte mitten im Satz, und seine Augen wurden groß, als ihm die schreckliche Erkenntnis dämmerte.
Malcolm brauchte ihn nicht einmal anzusehen. »Ja, Julien«, sagte er, »Deine Landsleute rechtfertigen sich selbst gegenüber den Handel mit solcher Technologie, indem sie behaupten, es sei nach wie vor unmöglich, in Frankreich waffenfähiges Plutonium zu erwerben – aber die Iraker konnten sich das Plutonium woanders beschaffen, den Mechanismus haben sie dann in Paris bekommen. Oder vielleicht sollte ich besser sagen, in einem Städtchen südöstlich der Hauptstadt.«
Wir alle wussten sofort, worauf Malcolm anspielte. Im Jahr 2006 hatte der irakische Präsident und langjährige Erzfeind des Westens, Saddam Hussein, sich gegen das seit zwanzig Jahren über sein Land verhängte Wirtschaftsembargo zur Wehr gesetzt, indem er erklärte, er sei nun imstande, Atombomben zu bauen. Viele im Westen hielten das für absurd, weil bei ihrer neu aufgenommenen Überwachung der irakischen Waffenfabriken keine plötzlichen Fortschritte sichtbar geworden waren, die es Saddam erlaubt hätten, solche Waffen zu konstruieren. Um nachdrücklich klar zu machen, dass er es ernst meinte, schickte Saddam deshalb einen Kamikazebomber los, der in einer der blühendsten
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