Die Täuschung
nicht«, meinte Larissa. »Aber wir sind schon hier. Also sagen Sie uns – woher würde er zurückkommen?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Machen, woraufhin ihm Slayton die Mündung des Revolvers so brutal in die Kopfhaut schraubte, dass ich zusammenzuckte. »Wirklich nicht!«, schrie Machen. »Niemand weiß es! Er ist verschwunden!«
»Warum?« , wollte Slayton wissen.
»Er war der Ansicht, dass die Disk eine aktive Reaktion verdiente«, erklärte Machen. »Aber dann hat er von höherer Stelle erfahren, dass die Regierung die Sache nicht an die große Glocke hängen, sondern den Russen Gelegenheit geben wollte, alles zu erklären. Das konnte Eshkol nicht ertragen. Er ist explodiert und hat gesagt, er würde die Sache selbst in die Hand nehmen.« Machen gab sich alle Mühe, sich zusammenzureißen, und fuhr fort: »Sie müssen verstehen, Eshkol ist nicht – nun, er ist extrem. Und diese Sache … seine Urgroßeltern mütterlicher- oder väterlicherseits waren Überlebende des Holocaust. Und viele aus seiner Familie sind damals ums Leben gekommen.«
Die Furcht, die ich schon bei Malcolms Hinweis auf diese Möglichkeit verspürt hatte, kehrte mit der Bestätigung durch Machen zurück, und man muss es mir am Gesicht angesehen haben, denn als ich mich zu Larissa umdrehte, warf sie mir einen besorgten, verwirrten Blick zu. Aber ich schüttelte nur den Kopf und versuchte, wachsam zu bleiben, während Slayton unserem Gefangenen weiter zusetzte.
»Hat der Mossad ihn denn aufspüren können?«, fragte der Colonel.
Machen schüttelte den Kopf. »Sie haben damit gerechnet, dass er sich mit den Bildern an die Öffentlichkeit wenden würde – dass er sie an eine Newsgroup weiterleiten oder sie selbst ins Netz stellen würde. Sie überprüfen die Korrespondenten mit den meisten Kontakten im mittleren Osten – bisher ohne Erfolg.«
»Keine Hinweise darauf, wohin er gegangen ist?«, fragte Slayton.
»Nein, und es wird auch keine geben. Wenn Eshkol von der Bildfläche verschwindet, findet ihn nicht einmal der Mossad. So gut ist er.«
Auf einmal hallte ein tiefes Grollen durch Machens Haus, und ich glaubte schon, ein Erdbeben sei im Anzug; aber dann merkte ich, dass es sich nicht richtig seismisch anhörte und anfühlte und dass ich es schon einmal gehört und gefühlt hatte. Wie um meine Ahnung zu bestätigen, legte Larissa plötzlich die Hand an den Kragen ihres Bodysuits.
»Ja, Bruder?« Sie nickte mit unbewegter Miene. »Verstanden.« Mit einem Blick zu Slayton und dann zu mir rief sie über das leise, anschwellende Brummen hinweg: »Es ist der Sicherheitsdienst von Bel Air – Machens Wachen hätten sich vor drei Minuten melden müssen. Ein Transporter und ein Trupp Infanterie sind unterwegs.« Sie öffnete eine Fenstertür, die auf einen Balkon hinausführte.
Binnen Sekunden begann die Luft draußen vor dem Haus zu schimmern und zu flimmern, als wäre sie großer Hitze ausgesetzt; dann tat sich scheinbar ein Spalt im Gefüge der Wirklichkeit auf, und man sah Julien und das Innere des Schiffskorridors hinter ihm mitten in der Luft schweben. Bei dem bizarren Anblick – Resultat einer Teilabschaltung des holografischen Projektors – schrien die Prostituierten im Zimmer nebenan auf, und Machen wand sich noch heftiger. »Wer seid ihr?«, fragte er.
Aber Slayton ließ ihn daraufhin lediglich los, während Fouché uns eifrig zuwinkte. »Beeilt euch!«, rief er.
Wir stürzten auf den Balkon, während das Brummen des Schiffes das Haus so heftig erbeben ließ, dass Machens gesammelte Waffen von der Wand fielen. Ein paar davon gingen los, was Machen zu weiteren lauten Schreien veranlasste; aber wir dachten jetzt nur noch an Flucht, und ein paar Sekunden später waren Larissa, Slayton und ich an Bord, und das Schiff war wieder unterwegs.
So gelang es uns, dem Mann, den wir suchten, einen Namen zu geben – und dank Tarbells fortgesetzten Versuchen, sich in fremde Computer zu hacken, bald auch ein ziemlich hartes und Furcht einflößendes Gesicht. Die weitere Überwachung des offiziellen israelischen Nachrichtenverkehrs ergab, dass Machen mit seiner Behauptung über Dov Eshkols Vorgesetzte nicht gelogen hatte; sie glaubten tatsächlich, dass die bitteren und leidenschaftlichen Gefühle, die die Stalin-Bilder in ihrem auf Abwege geratenen Agenten ausgelöst hatten, ihr Ventil in einer irgendwie gearteten Veröffentlichung des Materials finden würden. Aber wir an Bord des Schiffes ahnten schon – und sollten damit
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